Wilhelmsburg hätte die Kanzlerin abgewählt

Hätte Wilhelmsburg die Bundestagswahl allein entscheiden dürfen, müsste Angela Merkel jetzt das Kanzleramt räumen. Auf der Insel lag die SPD mit 38,9 Prozent der Zweitstimmen vorn – mit deutlichem Abstand zur CDU, die hier nur 23,9 Prozent aller Wählerinnen und Wähler von sich überzeugte. Platz drei in der Wilhelmsburger Wählergunst erreichte die Linke mit 12,4 Prozent. Auch die Grünen erfuhren auf der Elbinsel mehr Zuspruch als bundesweit und schafften hier immerhin 9,5 Prozent. Die FDP straften die Menschen auf der Insel sogar noch härter ab als die Deutschen insgesamt: Mit 2,3 Prozent aller Zweitstimmen kam sie weder an die AfD noch an die Piraten heran.

In Berlin feiert die Union einen herausragenden Sieg: Mit 41,5 Prozent hätte sie das Land fast allein regieren können. Nur zwei Sitze fehlen der Partei laut vorläufigem Ergebnis zur absoluten Mehrheit im deutschen Parlament. Im Vergleich zur Bundestagswahl 2009 steigerte sie sich um 7,7 Prozentpunkte – ein klarer Sieg für Kanzlerin Angela Merkel, die sich einer dritten Amtszeit gewiss sein kann. Die SPD dagegen muss eine Klatsche hinnehmen: Sie kam nach Auszählung aller Stimmzettel nur auf 25,7 Prozent. Das sind zwa 2,7 Prozentpunkte mehr als 2009, aber es reicht nicht zum Regieren. Auch die Linke muss Verluste wegstecken, ist aber nach vorläufigem Ergebnis immerhin Dritte in der bundesweiten Wählergunst: Mit 8,6 Prozent liegt sie nun vor den Grünen, die es nur auf 8,4 Prozent brachten. Niederschmetternd war dagegen das Wahlergebnis für die FDP: Die Noch-Regierungspartei schafft es nicht einmal mehr ins Parlament. Mit 4,8 Prozent straften die deutschen Wählerinnen und Wähler sie ab und setzten sie zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik vor die Tür. Während die Liberalen unter einer neuen Parteispitze zum Neustart auf Länderebene ansetzen wollen, kann die Union nach dem Motto „mein linker, linker Platz ist frei“ mit der Partnersuche beginnen.

Wilhelmsburg bleibt rot

Die politische Haltung der Wilhelmsburger Wählerinnen und Wähler trifft sie damit nicht. Nur in einem Wahllokal, dem Feuerwehrhaus in Moorwerder, stimmte die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler mit der Zweitstimme für die CDU. In fast allen anderen Wahllokalen hatten die Sozialdemokraten die Nase vorn. Ausnahme: Im Wahlbezirk 13701 in der Ganztagsschule Fährstraße gingen die meisten Stimmen an die Linke. Auch in anderen Wahllokalen des Reiherstiegviertels konnte die die Partei punkten: Im Treffpunkt Elbinsel an der Fährstraße, im AWO Seniorentreff an der Straße Rotenhäuser Wettern und in der Schule Rotenhäuser Damm schaffte es die Linke auf Platz zwei nach der SPD. Die Grünen punkteten am besten bei den Wählerinnen und Wählern, die im AWO Seniorentreff ihre Stimme abgaben: Sie räumten der Partei immerhin Platz drei ein, noch vor der CDU. Mit dem Rausschmiss der FDP aus dem Bundestag sind offenbar alle Wählerinnen und Wähler in Wilhelmsburg einverstanden. Sogar nach den Stimmzetteln in der Windmühle Johanna, wo die Liberalen ihr bestes Ergebnis auf der Insel erzielten, blieben sie unter der 5-Prozent-Hürde.

In der Riege der Splitterparteien blieb die FDP noch hinter der AfD, die sich zum ersten Mal um einen Platz im Parlament bemühte, und der Piratenpartei. Mit 3,9 Prozent belegte die „Alternative für Deutschland“ den fünften Platz in der Wählergunst auf der Elbinsel. Die Piraten sicherten sich Platz sechs mit 3,3 Prozent, während sich die Liberalen mit 2,3 Prozent begnügen mussten. Die satirische Partei „Die Partei“, die mit dem Slogan „Inhalte überwinden“ zur Wahl antrat, erreichte in der Fährstraße ihre Bestwertung: Im Wahlbezirk 13702 überzeugte sie immerhin 4,2 Prozent des Wahlvolks – mehr, als die CDU erreichte. In der Insel-Gesamtwertung führt „Die Partei“ die Reihe derer mit einer 1 vor dem Komma an – gefolgt von der NPD. Mit Ausnahme eines Wahllokals landeten in allen Wahlurnen auf der Insel Stimmen für die Rechtsextremisten, die mit 1,2 Prozent den viertletzten Platz auf der Insel belegten. An der Neuenfelder Straße, in der Stadtteilschule Stübenhofer Weg, an der Prassekstraße und am Perlstieg vergaben jeweils zehn bis zwölf Personen ihre Stimme an die Neonazis.

Metin Hakverdi geht nach Berlin

Den Kampf um die Erststimmen der Wilhelmsburger und Wilhelmsburgerinnen entschied Metin Hakverdi souverän für sich. Nur in Moorwerder, das der CDU auch bei den Zweitstimmen die Treue hielt, musste der Direktkandidat der SPD den ersten Platz an Herlind Gundelach abtreten. Die frühere Hamburger Senatorin landete in fast allen Wahllokalen auf Platz zwei. Sabine Boeddinghaus, die Direktkandidatin der Linken, überholte sie an der Fährstraße, an der Zeidlerstraße und im AWO Seniorentreff bei der Auszählung der Erststimmen. Metin Hakverdi hat sein Ziel erreicht: Nicht nur nach den Ergebnissen auf der Elbinsel und in seinem Wahlkreis siegte er, auch nach Auszählung aller Hamburger Erststimmen hat der Jurist aus Wilhelmsburg die Nase vorn. Das Ticket nach Berlin ist ihm damit sicher.

An der Bundestagswahl konnte etwa jeder Zweite auf der Elbinsel teilnehmen: 26.443 Personen waren diesmal wahlberechtigt. Bei rund 56,1 Prozent Wahlbeteiligung machte etwa die Hälfte von ihrem Recht auch Gebrauch – der Rest ließ die Abstimmung ohne sich geschehen. Die höchste Wahlbeteiligung verzeichnete das Team im Feuerwehrhaus in Moorwerder mit 58,1 Prozent. Das Wahllokal an der Hermann-Westphal-Straße war in ganz Wilhelmsburg am schlechtesten besucht. Von 144 Wahlberechtigten gaben nur 24 ihre Stimme ab – 16,7 Prozent.

Die Ergebnisse der Bundestagswahl gelten nach wie vor als vorläufig. Erst wenn die Kreis- und Landeswahlausschüsse die Auszählung überprüft haben, sind die Ergebnisse amtlich bestätigt. Nach Auskunft der Hamburger Innenbehörde wird die Prüfung voraussichtlich kommende Woche Mittwoch abgeschlossen sein.

von Annabel Trautwein

 

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Tipp:

Wer wissen möchte, wie die Stimmverteilung im eigenen Wahllokal ausgefallen ist, kann sich auf der Internetseite des Statistikamtes Nord durch die verschiedenen Wahlbezirke klicken: http://bundestagswahl-hh.de/wahlen.php?site=left/gebiete&wahl=62#index.php


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