Perspektiven: Themenrat vor schwerer Aufgabe

Wohnraum, Verkehr und Naturschutz zählen zu den Themen, die die Menschen in Wilhelmsburg und auf der Veddel am meisten beschäftigen. Es gibt viel zu verbessern – darüber sind sich die Aktiven im Beteiligungsverfahren „Perspektiven“ einig. Doch was genau besser werden soll und wie das machbar ist, dazu hat jede der zwölf Themengruppen ihre eigenen Ideen. Das stellt den Themenrat nun vor eine gewaltige Aufgabe: Die Botschafter der zwölf Teams sollen alle Ergebnisse bündeln und in einem Bericht zusammenfassen.

Viel Zeit bleibt nicht mehr. Das wurde auch dem Rat bei seiner Sitzung am Mittwoch im Bürgerhaus klar. Bis zum 22. April soll der Bericht stehen, und immer noch kommen neue Ideen dazu. Er soll alles unter einen Hut bringen, was die zwölf Themengruppen beschäftigt. Das ist nicht immer einfach: Die Gruppe „Wohnen“ etwa fordert bezahlbaren Wohnraum für alle – dazu soll die Stadt ihren Plan von der Hafenquerspange im Süden Wilhelmsburgs aufgeben. Die Gruppe „Wirtschaft“ dagegen sagt: Kein Wohnungsbau in der Nähe unserer Betriebe! Stattdessen soll ein Lkw-Konzept für den ganzen Hafen her, einschließlich Hafenquerspange.

Auch die Gruppe „Naturschutz, Gärten und Wasser“ blickt misstrauisch auf die Planungen zum Wohnungsbau. Sie fürchtet den Verlust von Kleingärten und Naturzonen. Wenn Wohnungen gebaut werden, dann müssen sie barrierefrei sein, sagt die Gruppe „Inklusion“. Die Aktiven der Gruppe „Verkehr“ finden, dass vor allem weniger Autos und mehr Fahrräder durch den Stadtteil fahren sollen und verlangt Tempolimits. In der Gruppe „Hier kommt die Veddel“ ist neben dem Ärztemangel die Lärmbelästigung ein großes Thema. Die Gruppe „Partizipation“ sorgt sich um verlorenes Vertrauen zwischen Stadt und Bevölkerung.

Stadtteilgespräche bringen weitere Perspektiven ein

Wo können mehrere Gruppen an einem Strang ziehen? Wo gibt es Interessenskonflikte? Der Themenrat soll das erarbeiten und passende Lösungen vorschlagen. Doch nicht nur die vielen Interessen derer, die sich in den Gruppen engagieren, sollen im Abschlussbericht vorkommen. Auch aus den Stadtteilgesprächen, die Koordinatorin Brit Tiedemann mit unterschiedlichen Menschen auf den Elbinseln führt, kommen wichtige Beiträge.

„Grün ist ein ganz wichtiges Thema“, sagt sie. Viele Menschen berichteten ihr, dass die Naturflächen die Elbinseln für viele Menschen besonders lebenswert machen. Auch gutes Zusammenleben sei vielen wichtig, sagt Brit Tiedemann. Gerade unter Migrantinnen und Migranten habe sie oft den Wunsch nach mehr Kontakt zu Menschen außerhalb der eigenen Kulturgruppe vernommen. Sport sei hingegen kaum ein Thema.

Cordula Radtke aus der Gruppe „Sport“ sieht trotzdem eine Chance, zusammen zu kommen. „Die Leute möchten sich treffen, sie möchten miteinander reden – vielleicht während ihre Kinder Sport treiben“, sagt sie. Vereine und Sportgruppen könnten viel zum Zusammenleben beitragen – auch wenn viele aus Zeitmangel im Alltag nicht von alleine auf die Idee kämen, selbst aktiv zu werden. So könnte sich die Themengruppe mit der Gruppe „Miteinander leben“ zusammentun, die sich für eine bessere Nachbarschaft einsetzt.

Die Stadtteilgespräche lieferten zudem auch neue Impulse, sagt Brit Tiedemann: „Einkaufsmöglichkeiten sind in den Gruppen kaum Thema.“ Vor allem auf der Veddel sei das aber für viele Menschen wichtig. Ein Thema interessiere alle, egal ob jung oder alt, ob Frau oder Mann, berichtet die Koordinatorin: Die Sauberkeit. Müll und Graffiti seien für sehr viele Leute ein Ärgernis. Auch hofften viele auf bessere Lösungen für den Autoverkehr.

Themengruppen und Betroffene sind nicht immer einer Meinung

Für den Themenrat wird deutlich: Die Ideen der Gruppen decken sich nicht immer mit den Wünschen der Betroffenen im Stadtteil. „Wenn der Stadtteil eher Auto fahren möchte, können wir das nicht ignorieren“, sagt Tim Fandré, der sich in der Gruppe „Verkehr“ vor allem für den Fahrradverkehr start gemacht hat. „Wir können sowieso nicht in Anspruch nehmen, die Meinung aller Wilhelmsburger zu repräsentieren“, sagt Hildebrand Henatsch. Wichtig sei vor allem, alle Ideen gleich ernst zu nehmen, findet Kesbana Klein. Sonst bestätige sich die Befürchtung vieler Menschen, dass ihre Meinung gar nicht zähle.

„Manchmal löst sich der Widerspruch schon auf, wenn die verschiedenen Betrachtungsweisen deutlich werden“, sagt sie Cordula Radtke. Entscheidend ist für die Aktiven im Themenrat, dass jede Gruppe sich einbringt – und im Idealfall durch feste Botschafter vertreten wird. Schon beim zweiten Treffen ist der Rat deutlich geschrumpft. Von rund 25 Mitgliedern des ersten Treffens sind beim zweiten Mal nur neun übrig. Setzt sich der Trend fort, wird es eng für den Rat – denn um im Abschlussbericht ein starkes Signal an die Stadt zu senden, braucht er viele starke Stimmen.

Nun kommt es auf den Abschussbericht an: Er soll der Hebel sein, mit dem die Menschen auf den Elbinseln Politik und Verwaltung in Bewegung setzen und ihren Interessen Kraft verleihen. Ob sie bei der Stadt etwas bewegen können, wird davon abhängen, wie ernst ihre Forderungen genommen werden.

von Annabel Trautwein

 

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