Stadt durchkreuzt Pläne der eigenen Fachleute

Freier Zugang zum Wasser, Platz für kleine Firmen und kreative Ideenschmieden – das wünschen sich die Planer der Stadt Hamburg für das Wilhelmsburger Reiherstiegviertel. Einige Menschen im Stadtteil sind schon dabei, die Pläne wahr werden zu lassen. Nun macht die Stadt eine Kehrtwende: Die Firmen und Büros am Veringkanal sollen wieder verschwinden, damit dort ein Hochregallager für die Staatsoper errichtet werden kann. Entschieden hat das eine Kommission des Senats unter Federführung der Finanzbehörde. Die Experten in Wilhelmsburg wurden gar nicht gefragt – nicht einmal die Planer der IBA, obwohl sie von der Stadt Hamburg beauftragt und bezahlt werden.

 „Wenig Nutzen für Wilhelmsburg und relativ viel Schaden“ – so fasst IBA-Sprecher Rainer Müller zusammen, welche Folgen das Neubauvorhaben der Senatskommission für den Stadtteil hätte. So, wie die Pläne vorlägen, sei die IBA damit nicht einverstanden, sagt er im Gespräch mit WilhelmsburgOnline.de.

Drei Gründe sprechen aus Sicht der IBA gegen das Vorhaben der Senatskommission: Erstens würde der geplante Bau den Weg zum Veringkanal abschneiden. „Den Zugang zu Wasserflächen zu schaffen ist ein zentrales Anliegen in unserem Leitthema 'Metrozonen'. Wenn nun so ein – mutmaßlich umzäuntes – Hochregallager geschaffen wird, dann widerspricht das unserer Philosophie“, sagt Müller. Zweitens will die IBA, dass sich in dem Gebiet kreative Unternehmen ansiedeln. Die Bürogemeinschaft Am Veringhof 7, die nun dem geplanten Neubau weichen soll, ist zwar kein IBA-Projekt, passt aber genau ins Konzept. Drittens weist Müller darauf hin, dass ein Umzug der Opernwerkstätten und des Lagers die Verkehrslage verschärfen könnte. „Unsere Auffassung ist: Man sollte einen anderen Standort bevorzugen“, sagt der IBA-Sprecher.

Für die Entscheidung der Senatskommission spielte die Meinung der IBA-Planer offenbar keine Rolle. „Wir sind nicht formell eingebunden worden“, sagt Rainer Müller. Zwar gehöre die IBA zu 100 Prozent der Stadt und habe deshalb auch enge Kontakte zu allen zuständigen Behörden, aber mitreden durfte sie bei der Entscheidung nicht. Das will der IBA-Sprecher nicht kritisieren. „Es muss uns keiner Fragen“, sagt er. Die IBA sei auch nicht grundsätzlich dagegen, dass die Staatsoper ein Lager in Wilhelmsburg aufmacht. „Aber in welcher Form und in welcher Größe, mit welcher Durchlässigkeit, das würden wir ganz gerne mitbedenken wollen“, sagt Rainer Müller.

"Die IBA wird vorgeführt"

Manuel Humburg kritisiert sehr wohl, dass die Planer nicht mitentscheiden durften. „Die IBA wird vorgeführt“, sagt der Vorsitzende des Vereins Zukunft Elbinsel. Mit ihrem Schwerpunkt 'Metrozonen' wollen die Planer dort ansetzen, wo Wohnen und Industrie aufeinandertreffen. Den Anspruch findet Manuel Humburg gut. Nur müssten sie sich dann auch den Grenzbereichen zwischen Hafen und Stadt widmen. Wenn die IBA zu den Plänen am Veringkanal nicht mitreden könne, habe sie das Thema 'Metrozonen' verfehlt, kritisiert Manuel Humburg. Zudem habe die IBA den Anspruch, die Betroffenen im Stadtteil stärker an der Planung zu beteiligen – und nun werde sie selbst nicht einbezogen. Der Verein Zukunft Elbinsel fordert schon seit Jahren, die Industrieflächen in Wilhelmsburg zu verringern und Platz für Wohnungen und Arbeitsplätze zu schaffen.

In der Bürogemeinschaft Am Veringhof 7 zeichnet sich derweil der Weg in die andere Richtung ab: Am Donnerstag haben die Mieter – einige Tage nach dem Getränkehändler Meerkötter und den benachbarten Firmen Dirik und Akkaya – ihre Kündigung bekommen. In der folgenden Woche wollen sie sich mit dem Eigentümer, der Sprinkenhof AG, zu einem Gespräch treffen. „Unser Ansinnen ist, das Gebäude zu erhalten und weiter zu entwickeln“, sagt Marco Antonio Reyes Loredo. „Daran hat sich für uns nichts geändert.“

von Annabel Trautwein

 

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Kommentare

Eine Antwort zu „Stadt durchkreuzt Pläne der eigenen Fachleute“

  1. Avatar von Michael
    Michael

    Was die Absurdität an dieser Sache meines Erachtens noch erhöht, ist die Tatsache, dass die IBA versucht hat nur ein paar Meter weiter das „Kreativzentrum Veringhöfe“ zu realisierten. Seit 5 Jahren wird daran geplant, von den ursprünglich 5 Gebäuden auf dem Areal wurden 4 abgerissen und jetzt erst wird das einzig noch erhaltene Gebäude am Kanal saniert. Es zeigt sich, was so viele Planer_innen und auch die IBA immer wieder sagen: Kreativität lässt sich nicht planen! Und während die Pläne für ein „Kreativzentrum Veringhöfe“ schleppend und weitgehend ins Leere laufen, wächst direkt neben daran ohne städtische Förderung genau das heran, was die vergeblich versuchen Planer_innen umzusetzen. Aber statt diese „kreative Nische“ einfach mal in Ruhe zu lassen, wollen die Fachbehörden tabula rasa machen wie eh und je. Das läuft nicht nur den (mitunter vergeblichen) Bemühungen der IBA entgegen, sonder auch der von der Behörde für Stadtentwicklung finanzierten Studie „Kreative Milieus und offene Räume in Hamburg“: http://www.hamburg.de/contentblob/3005360/data/gutachten-kreative-milieus-kurzfassung.pdf

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