In wenigen Tagen geht es los: Die Internationale Bauausstellung (IBA) will Hamburg und der Welt beweisen, dass sie die Elbinsel Wilhelmsburg zu einem lebenswerteren Ort gemacht hat. Hochmoderne Häuser und Wohnungen, bessere Schulen und eine bunte Kunst- und Kulturszene sollen mehr Menschen dazu bewegen, nach Wilhelmsburg zu ziehen. Verdrängt werden soll aber niemand. Die Aufwertung sei für alle gedacht, sagt die IBA – auch für Alteingesessene oder Menschen mit wenig Geld. Soweit das Versprechen. Die Erfahrungen vieler Menschen in Wilhelmsburg sehen schon heute anders aus.
Aufwertung ohne Verdrängung – dieses Ziel hat sich die IBA auf die Fahnen geschrieben. „Die, die hier wohnen, sollen auch hier bleiben“, versprach Geschäftsführer Uli Hellweg, als er im November 2011 das Präsentationsjahr der IBA vor Journalisten ankündigte. Zwar sollen in Zukunft mehr Menschen in Wilhelmsburg wohnen, die sich hohe Mieten leisten können. Wie die IBA auf ihrer Internetseite schreibt, tut das dem Stadtteil sogar gut, weil es ihn „stabiler“ macht. Es soll aber niemand wegziehen müssen, um für neue Wilhelmsburger Platz zu machen. Die IBA will selbst mehr Platz zu schaffen, indem sie neue Häuser und Wohnungen baut. Insgesamt soll das Leben auf der Elbinsel preiswert bleiben, versprechen die Planer.
"Verdrängung hat längst angefangen"
Viele Menschen in Wilhelmsburg glauben dem Versprechen nicht. Die Verdrängung hat längst angefangen, sagen zwei von der Kampagne „IBA?NigsDA!“, die sich als Hannah Sperberich und Thomas Koyar vorstellen. Beide haben Bekannte, die wegen steigender Mieten wieder aus Wilhelmsburg wegziehen mussten. „Gerade im Reiherstiegviertel sind die Mietsteigerungen immens“, sagt Hannah. „Vor sechs, sieben Jahren war es normal, Wohnungen für 4,50 Euro pro Quadratmeter zu kriegen. Jetzt gibt es in der Fährstraße kaum noch etwas unter 10 Euro.“ Das treffe nicht nur Zugezogene vom Nordufer, sagt Thomas. „Es gibt ja auch viele Leute, die innerhalb des Viertels umziehen, zum Beispiel weil sie ein Kind bekommen haben – und das wird einfach nicht mehr möglich sein.“
Dass die Mietpreise auf der Elbinsel steigen, gibt die IBA zu. Laut Zahlen des stadteigenen Unternehmens liegen die Mieten in den Wohnungsinseraten um 35 Prozent höher als noch 2006. Damit seien sie immer noch preiswerter als im Hamburger Durchschnitt, schreibt die IBA in ihrem Strukturmonitoring. Das heißt aber nicht, dass es in Wilhelmsburg keine überdurchschnittlichen oder ausgrenzenden Mietsteigerungen gibt, wie Thomas sagt. Nur seien sie in der Statistik nicht mehr sichtbar, wenn Wohnsiedlungen wie das preiswertere Kirchdorf-Süd die Mietenexplosion andernorts ausgleichen.
Wer soll von der Aufwertung profitieren?
Laut „IBA?NigsDA!“ hatte die IBA nie vor, Wilhelmsburg für die dort lebenden Menschen lebenswerter zu machen. „In klassischen Stadtentwicklungsprogrammen werden die Probleme analysiert, die die Menschen im Stadtteil haben. Dann wird geguckt: Wer wohnt da? Welche Probleme gibt es und wie können sie gelöst werden?“, sagt Thomas. „Die IBA macht das nicht. Es wird nur gefragt: Welche Potenziale hat Wilhelmsburg aus ökonomischer Sicht? Da wird deutlich, dass diese Aufwertung nicht an die Menschen gerichtet ist, die bisher hier im Viertel leben.“ Die Ziele der IBA gingen an vielen Menschen vorbei, sagt Hannah. „Wenn ich zum Beispiel mit Menschen im Bahnhofsviertel rede, sagen viele: Es ist schon dreist, dass die da ihre hybriden Häuser bauen und die Grundstückspreise verteuern. Aber im Endeffekt ist mir das ziemlich wurscht, weil total klar ist, dass das nichts mit mir zu tun hat.“
Was hätte die IBA aus Sicht der beiden besser machen können? „Eine soziale Erhaltungsverordnung vor Beginn der Maßnahmen. Das wäre auf der realpolitischen Ebene eine ganz konkrete Sache gewesen“, sagt Thomas. Auch Hannah muss nicht lange überlegen. „Eine Mietpreisbremse, die Verlängerung von Sozialbindungen und drumherum eine Verbesserung der Infrastruktur und Sanierung – genau das wäre naheliegend gewesen. Dass das eben nicht passiert ist, zeigt, dass die Stadt es anders gewollt hat.“ Dabei seien Mietsteigerungen und Verdrängung längst ein deutschlandweit diskutiertes Problem, sagt Thomas. „Die IBA hätte wirklich innovativ sein können, wenn sie gesagt hätte: Wir lösen die Probleme, die es gerade gibt, und zeigen, wie Stadtentwicklung richtig gehen kann. Stattdessen steckt sie eine Milliarde Investitionsvolumen in diese Würfel in der neuen Mitte.“
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