Bringt die Aufwertungspolitik durch die IBA in Wilhelmsburg eine Verdrängung für die Menschen auf der Insel mit sich? Der Arbeitskreis Umstrukturierung Wilhelmsburg (AKU) lud am 23. Mai ein, dieser Frage nachzugehen. Thomas Pohl, Stadt- und Sozialgeograf an der Universität Hamburg, stellte in seinem Vortrag fest: Die „Aufwertung ohne Verdrängung“ kann nicht funktionieren. Seine Aussagen zum „IBA-Effekt“ setzten eine lebhafte Debatte in Gang.
Pohl erklärte, das ausdrückliche Ziel der IBA sei, Wilhelmsburg durch „Aufwertung ohne Verdrängung“ für neue Bevölkerungsgruppen attraktiv zu machen. Das IBA-Programm sehe die Veränderung der Inselbevölkerung vor, den Austausch von Menschen mit wenig Geld durch reichere Zugezogene. Diese Form von sozialer Aufwertung ist jedoch ohne strukturelle Verdrängung gar nicht möglich – so stellte es schon Andrej Holm dar, der als Stadtsoziologe mit Forschungsschwerpunkt Gentrifizierung in einer vorherigen Veranstaltung des AKU zu Gast war. Und Pohl ergänzte, strukturelle Verdrängung sei ohne individuelle Verdrängung gar nicht möglich.
Die IBA dagegen gibt an, ihre Bauausstellung betreibe keine Verdrängungspolitik. Ihre Bildungsprojekte sollen den sozialen Aufstieg sichern, damit die Menschen in Wilhelmsburg langfristig mehr Geld verdienen und sich in Zukunft auch die höheren Mieten leisten können. Der AKU widerspricht hier und nennt als ein Beispiel für Verdrängung das Wilhelmsburger Reiherstiegviertel. In der „neuen Schanze Hamburgs“ habe sich der durchschnittliche Wert von 3,50 Euro auf 10 Euro netto kalt pro Quadratmeter erhöht.
Rückkehr ins Weltquartier – für manche ein Problem
Viel diskutiert an diesem Abend wurde vor allem das Weltquartier. Für einige ist die Sanierung der Häuser an der Veringstraße in der Folge beispielhaft für den Verdrängungsprozess, den die IBA auslöse: „Die ehemaligen Bewohner_innen können zum Teil nicht mehr in ihre Häuser zurückziehen. Die ehemals 40 m² großen Wohnungen sind nach der Sanierung 70 m² groß und damit für viele unbezahlbar“, brachte eine Person aus dem Publikum in die Debatte im Bürgerhaus ein. Ein langjähriger Weltquartierbewohner reagierte wütend: „Die Sanierung war überfällig“, die größeren Wohnungen bedeuteten für ihn „Freiraum“. „Fakt ist“, reagierte ein anderer, „dass sich die wenigsten ehemaligen Einwohner die gestiegenen Mieten mehr leisten können“. Eine IBA-Mitarbeiterin wies daraufhin auf die „100 Prozent Rückzugsgarantie“ hin: „Ich weiß von niemandem, der sich die Miete nicht mehr leisten kann“. Von hinten rief eine andere Dame: „Wieso werden die Wohnungen dann im Internet vertickt ?“ Man könne, müsse aber nicht zurückziehen, antwortete die IBA-Mitarbeiterin.
Auch die Mietpreissteigerungen wurden an diesem Abend heftig diskutiert: „Welche Möglichkeiten können wir finden, um der Dynamik der steigenden Mieten entgegenzuwirken?“, fragte jemand in die Runde. Die einen sagten, der Wohnungsmarkt sei kapitalistisch organisiert, die Anbieter folgten verständlicherweise dem Renditeinteresse und Mieten seien schließlich „in der ganzen Republik“ hoch. Ein anderer erklärte die Regulierung des Wohnungsmarktes als notwendig, um die Verdrängung der ärmeren Bevölkerungsschichten entgegenwirken zu können: „Wir sollten uns solidarisch einsetzen und Mietpreiserhöhungen Regeln vorschieben“.
Mit einer zukunftsorientierten Bilanz machte Pohl am Ende der Veranstaltung deutlich, wie wichtig die Diskussion über das Thema ist. Er stellte fest: „Wir können gemeinsam Politik machen.“
Die nächste vom AKU organisierte Veranstaltung findet am 11. Juni um 19 Uhr im Elbinselcafé „Tor zur Welt“ statt. In deutscher und türkischer Sprache werden Mieter_innen über Erfahrungen ihrer Proteste in Wilhelmsburg und Kreuzberg berichten.
von Hannah Rammé
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