Mühlentag: Johanna lädt zum Volksfest ein

„Was den Hamburgern der Michel ist, ist den Wilhelmsburgern die Johanna.“ In diesem Sinn haben hunderte von Menschen am Pfingstmontag die Windmühle im Herzen Kirchdorfs hochleben lassen. Für den Wilhelmsburger Mühlenverein und seine Gäste war das Fest eine besondere Ehre: Johanna war Schauplatz der offiziellen Eröffnung des 20. Deutschen Mühlentags. An mehr als 1000 Mühlen in ganz Deutschland feierten Mühlenfreunde gleichzeitig mit den Menschen auf der Elbinsel.

Nackensteak um elf Uhr morgens? Wenn die schöne Johanna zum Fest einlädt, sagen die Kirchdorferinnen und Kirchdorfer auch dazu nicht Nein. Unter der Galerie der alten Mühle ist ein regelrechtes Volksfest im Gange: Zuckerwatte und Fischbrötchen, Grillfleisch und gebrannte Mandeln konkurrieren um den Appetit der Gäste. Kinder lassen sich Spiderman-Masken oder Katzenschnuten ins Gesicht schminken. An Flohmarktständen bieten Nachbarskinder alte Schätze feil, es gibt Mühlenbrot und Kunsthandwerk. Einige Frauen sind in Wilhelmsburger Tracht erschienen, in blau-weißen Fischerhemden schmettert der Wilhelmsburger Männerchor altvertrautes Liedgut. Nur Julian Hecht scheint sich etwas zu langweilen. Der Elfjährige steht auf der Galerie der Mühle und klappt per Kettenzug die Jalousien der Mühlenflügel auf und zu. Windstille. Nicht einmal die Blätter der Birke nebenan regen sich an diesem Pfingstmontagsmorgen.

Hoher Besuch zum Ehrentag

Johanna hat hohen Besuch an ihrem Ehrentag, nicht nur aus der Nachbarschaft. Die evangelische Bischöfin Kirsten Fehrs und der katholische Weihbischof Hans-Jochen Jaschke eröffnen das Fest mit einem gemeinsamen Gottesdienst. Der Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) spricht ein Grußwort und setzt zum geschichtlichen Brückenschlag an: Damals die ehrbare Müllerzunft, heute Hamburg als moderne Metropole der Windenergiebranche. Der Wilhelmsburger Männerchor stimmt dazu eine Hymne an: „Stadt Hamburg an der Elbe Auen…“ Nur der Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), Schirmherr des diesjährigen Deutschen Mühlentags, schafft es diesmal nicht auf die Insel.

Im Inneren der Windmühle Johanna herrscht dichtes Gedränge. Manche suchen die schmalen Holztreppen nach unten, andere wollen nach oben, um die Galerie, die alten Zahnräder, Züge, Mühlsteine und Mahlgänge zu bestaunen. „Gleich ziehen wir die Leute mit dem Sackaufzug hier hoch“, murmelt Jochen Vennebusch. Der junge Mann ist in der Mühle für den Erhalt der Technik zuständig und kümmert sich iAus Körnern wird Mehl - dieser Vorgang fasziniert viele Kinder und Erwachsenem Mühlenmuseum darum, dass das Wissen der alten Zunft lebendig bleibt. Am Mühlentag unterstützt ihn eine Osttiroler Mühle bei seinem Bildungsauftrag: ein etwa hüfthoher Holzkasten, der oben Körner frisst und unten weißes Roggenmehl ausspuckt. Ein Kind nach dem anderen holt sich bei Jochen Vennebusch ein Tütchen ab. „Da kannst du schönes Sauerteigbrot draus backen“, erklärt er einem Mädchen. „Musst du mal deine Mama oder die Oma fragen.“

Der Mann des Tages ist Carsten Schmidt, Vorsitzender des Wilhelmsburger Windmühlenvereins. Er führt durch das Programm und heißt die Gäste vom Landesverband in Wilhelmsburg Willkommen. Bei ihrem Einsatz für den Erhalt der Wind- und Wassermühlen arbeiten die Hamburger Mühlenvereine mit Schleswig-Holstein zusammen – von dort ist der Verbandsvorsitzende Hans-Jakob Tiessen angereist, um den Wilhelmsburgern zu ihrem Wahrzeichen zu gratulieren und allen zu danken, die sich für seinen Erhalt stark gemacht haben. Das koste nicht nur Zeit und Energie, bekräftigt Erhard Jahn, der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung, in seiner Eröffnungsrede. „Mühlen können heute kein Geld mehr verdienen, nur verbraten“, sagt er. „Trotzdem hat es immer wieder Menschen gegeben, die sagen: Hier machen wir weiter.“

Leute von diesem Schrot und Korn braucht der Wilhelmsburger Windmühlenverein auch für die Zukunft. Einen hat er schon: Julian Hecht. Er wohnt gegenüber und kennt die Mühle in- und auswendig. „Wenn Mühlenfest ist, helfe ich immer mit“, sagt der Elfjährige. Auch sonst hat er ein wachsames Auge auf Johanna – sieht er etwa bei Sturm eine Tür offenstehen, warnt er den Verein, wie seine Mutter erzählt. So einen können die Kirchdorfer Mühlenfreunde gebrauchen. Das geben sie Julian sogar schriftlich: In Form einer Urkunde zur Ernennung als „Ehrenjungmüller“ wegen herausragender Verdienste um die Wilhelmsburger Mühlenkultur.

von Annabel Trautwein

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Kommentare

Eine Antwort zu „Mühlentag: Johanna lädt zum Volksfest ein“

  1. Avatar von Hellwig
    Hellwig

    Herzlichen Glückwunsch dem “Ehrenjungmüller“ Julian. Es ist schön, wenn sich junge Menschen für etwas begeistern können, so wie für diese historische Mühle Johanna und dem alten Müllerhandwerk. Gehe weiter diesen guten Weg Julian. Viele Grüße aus Travemünde.

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