Muslimische Gemeinde lädt ihre Nachbarn ein

„Wenn dein Nachbar hungrig schlafen geht, dann gehörst du nicht zu uns“ – so in etwa, sagt Fatih Demir, hat es der Prophet Muhammad den Muslimen eingeprägt. Der Verein Ayasofya Camii in Wilhelmsburg hält sich daran: Mit riesigen Mengen hausgemachter Delikatessen sorgen die Muslime am Vogelhüttendeich dafür, dass niemand ihr Nachbarschaftsfest mit knurrendem Magen verlässt. Das ganze Wochenende lang steht der Hinterhof der Moschee Gästen offen – ob muslimisch oder nicht, spielt für die Gastgeber keine Rolle. „Bei uns sind alle herzlich willkommen“, sagt der Vorsitzende Cevdet Külünk.

Kurz nach dem Freitagsgebet herrscht bunter Trubel im Hof der Ayasofya-Moschee: Kinder mit geschminkten Gesichtern flitzen durch die Menge oder belagern den Zuckerwatte-Stand. Dunkelhäutige Muslime in weißen Kaftanen unterhalten sich mit ihren türkischen Glaubensbrüdern. Am Büfett füllen junge Frauen Teller um Teller mit Salat, Börek, Fleisch und Gemüse. Ein Mann versteigert Torten mit den Logos von Galatasaray Istanbul und Fenerbahce – im vergangenen Jahr soll eine für 900 Euro weggegangen sein. Die beste Attraktion für die Kinder ist eine Hüpfburg. Ein Haufen kleiner Jungs springt darauf herum – dem soll Fatih Demir nun ein Ende setzen, findet ein Mädchen. „Die Jungs hüpfen immer sechs Minuten und wir dürfen nur zwei“, petzt sie. Fatih, der Vorsitzende der Jugendabteilung, findet das ungerecht. Zufrieden mit seinem Urteil rennt das Mädchen davon. Kurz darauf meldet sich ein Junge. „Kann ich auch Görevli werden?“, fragt er und deutet auf Fatihs „Helfer“-Schild.

Playstation spielen in der Moschee

Für Jugendliche und junge Erwachsene ist das Fest vor allem ein Treffpunkt. „Man sieht viele, für die man in der Woche keine Zeit hat“, sagt Senem Subasi. Sie macht gerade ein Praktikum, danach möchte sie Modedesign studieren. Ihre Freundin Zeynep Adanali hat ihr Studium in Stadt- und Regionalplanung gerade abgeschlossen – nach der Prüfungsphase ist das Fest ein schöner Anlass, Freunde und Bekannte wieder zu treffen. „Das besondere an dieser Gemeinde ist, dass es hier sehr viele Jugendliche gibt“, sagt sie. Eine kleine Heimatinsel – so nennt Fatih Demir seine Gemeinde. „Nicht Heimat im Sinne von Türkei, sondern eine religiöse Heimat“, sagt er. Dabei werde aber im Jugendraum nicht nur über Glauben gesprochen, wendet Zeynep ein: „Es gibt auch eine Playstation.“ Die Moschee sei für viele so etwas wie ein Jugendtreff.

Seit mehr als 50 Jahren ist die Gemeinde in Wilhelmsburg – und entsprechend gut vernetzt, sagt Fatih, der sich als studierter Wirtschaftsjurist auch mal um den Papierkram kümmert. Es ist ihm wichtig, dass die Ayasofya-Gemeinde im Stadtteil aktiv ist. Zum Kirchentag vor einer Woche gab es schon ein kleines Nachbarschaftsfest, bei dem evangelische Christen zu Gast waren. Außerdem nehme der Imam am interreligiösen Dialog auf der Elbinsel teil, sagt Fatih.

Mit den Einnahmen des Nachbarschaftsfests will die Gemeinde ihr Engagement ausbauen. Sie bietet zum Beispiel Kurse und Seminare in Islamkunde an, mal auf türkisch, mal auf deutsch. Einige Muslime der Gemeinde können kein Türkisch, weil sie aus Deutschland, dem arabischen Raum oder Afrika stammen. „Auch die Türken, die hierher kommen, beherrschen die deutsche Sprache meist besser“, sagt Fatih. Zudem wolle die Gemeinde weiterhin für deutschstämmige Inselbewohner offen sein. „Wenn sich in Wilhelmsburg jemand für den Islam interessiert, sind wir die erste Adresse“, sagt er.

Warten auf die Baugenehmigung

Bald soll sich diese Adresse ändern – die Ayasofya-Gemeinde will umziehen in ein neues Gebäude an der Rotenhäuser Straße. Früher war dort der Minimal-Supermarkt untergebracht. Nun gehört das Haus dem Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland, zu dem auch die Ayasofya-Moschee gehört. Wenn möglich, will der Verein sein neues Gebetshaus noch vergrößern. „Wir warten auf die Behörde“, sagt der Vorsitzende Cevdet Külünk. Noch habe die Gemeinde keine Baugenehmigung. Solange die neue Moschee noch nicht fertig ist, beten die Männer der Gemeinde im Hinterhof. Freitags sind es laut Külünk 500 bis 600 Gläubige. „Wenn es innen nicht passt, gehen wir nach draußen“, sagt er. „Wir brauchen den Platz unbedingt.“

Wie die neue Moschee aussehen soll, steht noch nicht fest. „Das Gebäude muss nicht unbedingt moscheeartig sein. Wer werden also keine Minarette bauen“, sagt Cevdet Külünk. Das Haus soll vor allem moderner werden und mehr Platz bieten, auch für Jugendliche. „Wir sind ja Wilhelmsburger – deswegen wollen wir auch für Wilhelmsburg etwas schönes aufbauen“, sagt der Gemeindevorsitzende.

von Annabel Trautwein

 

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Kommentare

Eine Antwort zu „Muslimische Gemeinde lädt ihre Nachbarn ein“

  1. […] will ich mich noch auf’s Rad setzen und mal hier vorbeischauen: Muslimische Gemeinde lädt Nachbarn ein und so gaaaaaaaaaanz vielleicht bemühe ich mich zur Auslaufparade noch an den […]

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