Von morgens bis abends weder essen noch trinken, und das 30 Tage lang – das klingt ganz schön hart. Doch im Ramadan geht es nicht nur um Verzicht, erläutert Imam Bahattin Corek von der Gemeinde Muradiye Camii in Wilhelmsburg. Das Fasten diene dazu, die Zwänge des Alltags hinter sich zu lassen, den Glauben zu stärken und mit anderen Menschen zusammen zu kommen. Dazu lädt die Gemeinde an der Eckermannstraße nun jeden Abend ein: Beim Fastenbrechen sind alle willkommen.
„Ramadan ist für uns eine sehr wichtige Zeit“, sagt Bahattin Corek. „Die Menschen helfen sich gegenseitig und kommen zusammen.“ Im Ramadan spenden wohlhabende Muslime besonders oft und großzügig. Außerdem kommen abends viele Familien und Freundeskreise zusammen, um gemeinsam am reich gedeckten Tisch das Fasten zu brechen.
In den Stunden zuvor jedoch sind Essen und Trinken, Genussmittel und körperliche Lust für die fastenden Gläubigen tabu. Die Menschen sollen sich reinigen von den schlechten Gewohnheiten und den Begierden des Alltags. „Das Schlechte, das jeder in sich hat, soll beendet werden – und sei es nur für einen Monat“, sagt der Imam. Das Fasten lasse die Gläubigen zur Ruhe kommen, damit sie sich ganz dem Wesentlichen zuwenden können. Außerdem sei der Verzicht eine Geste der Solidarität und des Mitgefühls, erklärt Bahattin Corek: „Ein Reicher, der im Ramadan fastet, weiß genau, wie es den armen Menschen geht.“
Diese Erkenntnis tue nicht nur Muslimen gut. „Auch anderen Religionen ist es vorgegeben, Fastenzeiten einzuhalten“, sagt der Imam und zitiert einen Vers aus dem Koran: „Ihr Gläubigen! Euch ist vorgeschrieben, zu fasten, so wie es auch denjenigen, die vor euch lebten, vorgeschrieben worden ist. Vielleicht werdet ihr gottesfürchtig sein“ – so heißt es in der deutschen Übersetzung. Für die Muslime an der Eckermannstraße bedeutet das: Alle sind eingeladen, mitzumachen. Der Tisch zum abendlichen Fastenbrechen soll auch für Nicht-Muslime gedeckt werden. „Menschen anderer Religion sind genauso herzlich eingeladen“, sagt Bahattin Corek.
Auch beim Fasten gibt es Ausnahmen
Das Fasten im Ramadan zählt im Islam zu den fünf wichtigsten Geboten neben dem Glaubensbekenntnis, den fünf Gebeten am Tag, der Almosen-Abgabe und der Pilgerreise nach Mekka, die alle Gläubigen nach Möglichkeit einmal im Leben machen sollen. Auch wenn die islamischen Regeln sehr genau sind – sie lassen auch Ausnahmen zu. So müssen etwa Kinder, kranke und gebrechliche Menschen oder schwangere Frauen sich nicht an die Fastenregeln halten. Wer das Gebot erfüllen will, aber zum Beispiel durch Krankheit oder eine anstrengende Reise verhindert ist, kann die versäumten Fastenzeiten auch später nachholen.
Der Ramadan beginnt von Jahr zu Jahr etwa elf Tage früher, weil sich der islamische Kalender nach dem Mond richtet. Wann das Fasten beginnt und gebrochen wird, hängt von Sonnenaufgang und Sonnenuntergang ab – im Sommer müssen die Musliminnen und Muslime also besonders lange aushalten. Immerhin rücken Fastenbeginn und Fastenbrechen in diesem Jahr täglich näher zusammen: In Hamburg beginnt die Zeit des Verzichts für die Muslime am 9. Juli um 3.37 Uhr, der erste Bissen ist um 23.05 Uhr erst wieder erlaubt. Kurz vor dem sogenannten Zuckerfest ist die Zeit des Fastens dann schon eine Stunde kürzer.
von Annabel Trautwein
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