Die Tage des Soulkitchen Exils sind gezählt – so sehen es die Hamburger Finanzbehörde und die ihr untergeordnete Sprinkenhof AG. Bis zum 31. August sollen die Brachfläche und die Halle an der Industriestraße geräumt werden. Die Idee, das Areal zu einem „Kulturkanal“ weiter zu entwickeln, ändert daran ebenso wenig wie die vielen Menschen, die Wochenende für Wochenende am Kanal feiern. Doch die Kulturveranstalter vom Soulkitchen-Kollektiv wollen sich so schnell nicht geschlagen geben. Sie wollen erwirken, dass Räumung und Abriss gestoppt werden, bis einvernehmlich beschlossen ist, was aus dem Gebiet rund um den Veringkanal werden soll.
Woche für Woche feiern hunderte von Menschen aus ganz Hamburg auf dem Soulkitchen Exil am Veringkanal. Die Brachfläche, die den Kulturschaffenden seit der Räumung der Soulkitchenhalle als Heimstätte gilt, ist eine der beliebtesten Partyzonen Wilhelmsburgs geworden. Doch in 19 Tagen soll damit Schluss sein. Die Sprinkenhof AG, die die Fläche verwaltet, will das Gelände mitsamt der Halle bis Ende des Monats räumen lassen. Dabei spielt offenbar auch keine Rolle, dass im Bezirksamt und in den Medien schon seit Wochen laut über einen „Kulturkanal“ nachgedacht wird, an dessen Ufer die Soulkitchen-Betreiber als Macher der ersten Stunde gelten.
Auch die übergeordnete Finanzbehörde bleibt bei der Frist. Aus ihrer Sicht ist sie noch kulant bemessen – ursprünglich hätten die Kulturschaffenden die leere Fläche neben der Halle nur bis Ende Juli nutzen dürfen. Die Finanzbehörde habe ihnen die Option auf Verlängerung bis Ende August eingeräumt, teilt Sprecher Daniel Stricker auf Nachfrage von WilhelmsburgOnline.de mit. Nun aber ist das Maß aus Sicht der Behörde voll. Dass sich der Ort zu einer der bestbesuchten Tanzflächen der Insel entwickelt hat, sei der Behörde nicht bekannt, bekundet der Sprecher und fügt hinzu: „Auch das ändert letztlich nichts an der Tatsache, dass die Nutzungsduldung befristet ist.“
Keine konkreten Angaben über geplante Nutzung
Was mit der Fläche geschehen soll, wenn die Kulturschaffenden weg sind, ist nach wie vor unklar. Eine Gewerbe- und Industrieansiedlung sei vorgesehen, schreibt Stricker. Konkreter erläutert der Sprecher es nicht. „Eine spätere Nutzung kann natürlich erst näher besprochen werden, wenn das Gelände von Altlasten befreit und zur Vermarktung freigegeben ist“, teilt er mit. Es gebe aber schon Interessenten für die Fläche. Für die Leute im Soulkitchen-Kollektiv sind die ungenauen Angaben der Behörde ein Hindernis. Sie wollen schon lange ein Konzept für die Fläche entwickeln, das möglichst alle Interessen berücksichtigt. „Zurzeit sagt die Finanzbehörde: Wir wollen mit keinerlei Ideen belästigt werden“, sagt Mathias Lintl. Seiner Ansicht nach soll die künftige Nutzung am Veringkanal vor allem mit den Menschen im Stadtteil abgestimmt werden. „Wenn der Stadtteil meint, dass wir hier Industrie und Logistik haben wollen – okay. Aber ich bezweifle, dass das die Meinung der Leute ist“, sagt er.
Schon seit Wochen versuche das Kollektiv, einen konkreten Plan für das Gelände auszuarbeiten – „aber durch diesen ständigen Kampf und Nerv kommt man nicht dazu, in Ruhe zu denken und mal zu gucken, was man machen kann“, sagt Mathias Lintl. Nun wollen die Kulturschaffenden die Politik zu einer Denkpause bewegen: In einer Petition an die Bürgerschaft wollen sie ein Moratorium fordern, das Räumung und Abriss der Halle so lange aussetzt, bis sich Stadt und Inselbewohner über die Zukunft am Veringkanal einig geworden sind. Außerdem verlangen sie Zutritt zur Halle, um mit Architekten und Gutachtern zu überprüfen, zu welchem Preis die Halle sicher gemacht werden könnte. Darüber gibt es noch Streit mit der Sprinkenhof AG, die selbst ein Gutachten hat erstellen lassen und laut Lintl keine zweite Meinung zulassen will. Drittens will das Kollektiv mit der Petition Zeit und Chancen gewinnen, um den Bau einer neuen, stabilen Halle aus wiederverwendetem Material zu planen. Schon am Mittwoch wollen die Kulturschaffenden ihre Petition einreichen.
Räumen oder bleiben?
Ob die Soulkitchen-Halle samt Exilfläche tatsächlich am Ende des Monats leer stehen werden, ist für Mathias Lintl noch nicht entschieden. „Sobald die Halle geräumt ist, ist es ein leichtes, mit dem Bagger vorbei zu fahren, etwas gegen die Mauer zu schubsen und schon ist Gefahr im Verzug und alles muss so schnell wie möglich abgerissen werden“, sagt er. Andererseits habe der Eigentümer das Recht, alles auf den Müll zu werfen, was nach Ablauf der Räumungsfrist noch da ist – und nach dem übereilten Auszug aus der Halle im Juni sei noch eine Menge übrig.
Fest steht: Das Kulturprogramm und der politische Einsatz laufen weiter. Am Mittwoch will das Soulkitchen-Kollektiv um 14 Uhr gemeinsam mit anderen ehrenamtlichen Kulturschaffenden vor dem Hamburger Rathaus für bessere Arbeitsbedingungen demonstrieren. Am Donnerstag ab 16 Uhr ist die Partyreihe „All of Us“ auf der Exilfläche zu Gast. Am Freitag spielt die Band „20vor8“, am Samstag gibt es Soul und Funk von den Plattentellern und am Sonntag ist Schwärmertanz. Außerdem laden die Macher während des Dockville-Festivals am Wochenende zum „Dockchill“ ein. Das Wochenende vom 23. bis 25. August ist für eine große Abschiedsparty reserviert – absichtlich mit etwas Abstand zum Ultimatum der Behörden, sagt Mathias Lint: „Wir wollen der Politik noch eine Woche Zeit geben, zu überlegen, ob das wirklich notwendig ist, dass wir alles räumen.“
von Annabel Trautwein
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