Seit fast 140 Jahren steht die Windmühle Johanna im Herzen Wilhelmsburgs. Für die Menschen auf der Elbinsel war sie lange Zeit lebensnotwendig: Standen ihre Flügel und die Wellen, Riemen und Kammräder in ihrem Inneren still, gab es kein Mehl und kein frisches Brot. Heute ist die Mühle ein Ort zum Feiern und geselligen Beisammensein. Sonntag ist es wieder so weit: Zum Tag des offenen Denkmals heißt der Wilhelmsburger Windmühlenverein Freundinnen und Freunde der historischen Baukultur willkommen. Es wird ein besonderes Fest, denn diesmal muss auch Johanna wieder ran. Die historische Mühlentechnik wurde teilweise rekonstruiert und restauriert. Nun können Gäste aus nächster Nähe miterleben, wie nach althergebrachter Art Korn zu Mehl und Mehl zu Brot wird.
Museumsreferent Jochen Vennebusch kniet auf den Planken des Stirnradbodens und schiebt mit einem Stock den breiten ledernen Keilriemen des Elevators zurecht. Schließlich soll alles rund laufen, wenn das gemahlene Getreide wieder die Mühle hinauf in den Mischer befördert wird. Sonnenlicht fällt durch die schmalen Fenster, ratternd dreht sich das hölzerne Stirnrad und lässt den Staub in der Luft tanzen. Johannas Flügel rauschen am Fenster vorbei, der Schatten huscht über die Galerie. „So einen Wind hätte ich gerne am Sonntag“, sagt Jochen Vennebusch. Das Rumpeln und Klappern im Inneren der Mühle schwillt mit jeder Bö an – zum ersten Mal seit den 1960er Jahren ist dieses Geräusch wieder in Kirchdorf zu hören.
Pünktlich zum Tag des offenen Denkmals nimmt der Verein die Windmühle Johanna als vollfunktionsfähige Museumsmühle in Betrieb. Ein Elevator alter Machart wurde eingebaut, der das Getreide nach einem Mahlvorgang in Bechern an einem Gurt wieder nach oben befördert und in die Mischmaschine rieseln lässt. Eine weitere Errungenschaft ist die historische Getreidequetsche mit dazugehöriger Siebvorrichtung, die die Müller „Blaumehlzylinder“ nennen. Eine Mischmaschine und eine Getreide-Förderschnecke hat der Verein neu instand setzen lassen. All das machte die Hermann Reemtsma Stiftung möglich, die sich unter anderem für den Erhalt von Baudenkmälern stark macht und den Wilhelmsburger Windmühlenverein mit 18.700 Euro unterstützte.
Neue Einblicke in die Technik der Mühle
Nun können die Müller auf der Elbinsel wieder vom Korn bis zum Brot nach dem historischen Verfahren mahlen und backen – und ihre Gäste können aus nächster Nähe dabei zusehen. „Das ist nicht in jeder Mühle möglich“, sagt Jochen Vennebusch. Sogar bis oben in die Kappe können die Besucherinnen und Besucher nun schauen, wo die beiden obersten Kammräder ineinander greifen. Damit niemand ins Getriebe geraten kann, haben Vennebusch und seine Vereinskollegen rund um die beweglichen Teile Holzgitter anbringen lassen. Auch die Türöffnungen zur Galerie sind gesichert. So können Gäste auch bei laufendem Betrieb nach draußen, ohne zu riskieren, dass ihnen ein Mühlenflügel in den Nacken saust. Alles, was neu in die Mühle eingebaut wurde, hebt sich optisch ein wenig vom alten Holz ab – „damit das nachträglich Eingebaute sichtbar ist und sich von den historischen Teilen abhebt. Ganz im Sinne der Denkmalpflege“, sagt der Museumsreferent.
Seit ihrem Bau im Jahr 1875 versorgte die Mühle die Menschen in Wilhelmsburg mit Mehl. „Sie musste für die Ernährung der Bevölkerung hier sorgen“, sagt Jochen Vennebusch. Sobald genug Wind war, setzten der Müller und seine Gesellen das Mahlwerk in Gang – notfalls in der Nacht, wenn es Tage zuvor Flaute gegeben hatte und sich in der Mühle die Kornsäcke stapelten. „Da wurde man geweckt und musste ran“, sagt Jochen Vennebusch. Wer heute zur Windmühle Johanna kommt, tut das in der Regel zum Vergnügen. Der Verein bietet Führungen an und demonstriert das Mahlen nach historischer Art, im alten Backhaus wird das traditionelle Wilhelmsburger Mühlenbrot gebacken. Das Mühlencafé ist regelmäßiger Treffpunkt des Plattdeutschen Stammtisches und einer Skat- und Spielerunde. Auch ein Seniorencafé ist hier ansässig. Darüber hinaus ist die Windmühle Johanna Schauplatz für Konzerte, Lesungen und Feste. Sogar standesamtliche Hochzeiten sind in der Mühle möglich.
Quetschhafer nach altem Rezept für den Reitverein
Am Sonntag soll Johanna selbst im Mittelpunkt stehen. Ob der Wind zum Tag des offenen Denkmals wunschgemäß weht, ist Glückssache. Wenn nicht, wollen die Wilhelmsburger Müller mit dem Motor nachhelfen. Die Getreidequetsche wird auf jeden Fall ihren großen Auftritt bekommen: Am Sonntag um 14 Uhr wollen die Müller sie feierlich in Betrieb nehmen. Den ersten Sack Quetschhafer soll dann symbolisch der Wilhelmsburger Reitverein in Empfang nehmen, der auch in Zukunft von der neuen technischen Ausstattung der Windmühle profitieren soll.
Für Jochen Vennebusch ist der Dienst an der Mühle und ihrer Geschichte noch lange nicht zu Ende. Im Laufe der Jahre könnte noch hier und da etwas instandgesetzt oder wieder aufgebaut werden, sagt er. Auch muss die Mühle ständig gewartet werden, damit alles in Bewegung bleibt. Schon jetzt hält Johanna ihre ehrenamtlichen Wächter und Bewahrer ständig auf Trab. Es gibt immer viel zu tun, sei es im Backhaus oder im Mühlencafé. „Wir sind immer dankbar, wenn Leute helfen wollen“, sagt Jochen Vennebusch. Auch kleine Reparaturen im inneren der Mühle fallen immer wieder an. „Technisch versierte Leute sind deshalb ganz besonders willkommen“, versichert der 26-Jährige. Nicht nur, weil der Verein damit Mühe und Geld sparen kann – die besondere Beziehung zur Windmühle Johanna, die mit der Zeit entstehe, sei jeden Einsatz wert.
von Annabel Trautwein
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Tipp:
Das Fest zum Tag des offenen Denkmals beginnt am Sonntag, 8. September, um 10 Uhr an der Windmühle Johanna (Schönenfelder Straße 99a). Um 14 Uhr soll die historische Getreidequetsche feierlich in Betrieb genommen werden. Auch das Backhaus wird offen sein. Um 18 Uhr soll das Fest offiziell enden.
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