Die Scheinwerfer der Lastwagen gleiten bereits durch den Blumensandhafen, als es in einem kleinen Backsteinhaus gleich hinter der Rethe-Hubbrücke vier Mal knallt. Lars Lindner schlägt die Trommelstöcke zusammen, der Bass setzt ein, Gitarrist Jan Lindner greift in die Saiten und spielt die Leadmelodie. „Nee!“, brüllt der Schlagzeuger dazwischen. „Nicht da-da-da-dam!“ Bis zum Gig bei Kirchdorf Rocks! muss der Lauf sitzen. Die Band beginnt von vorn, aber Jan liegt wieder daneben. Lars springt auf, fuchtelt mit den Sticks, auch Michael Lindner stimmt in das Protestgebrüll ein. Dicke Luft bei Dockerrock? Gitarrist Sven Braune zuckt kaum mit der Augenbraue, Leadsängerin Christina Lindner winkt ab. „So sind Brüder nun mal.“
Hart, aber mit Herz – so ist Hardrock, so ist Heavy Metal, so ist auch Dockkerrock. Die Band ist ein echtes Familienunternehmen, gegründet von Michael Lindner und seinen beiden Söhnen Lars und Jan, damals 12 und 15 Jahre alt. Im Kinderzimmer probten sie für ihren ersten Gig, einem Polterabend im Familienkreis. Lars bearbeitete sein Schlagzeug mit Essstäbchen, damit die Nachbarn nicht die Polizei riefen. Jan erzählt: „Damals wollten wir noch Rockstars werden.“ „Und jetzt sind wir das schon“, setzt sein Bruder augenzwinkernd hinzu.
Heute proben die fünf Dockerrocker im Hafen, direkt hinter der Rethe-Hubbrücke. Der Probenraum ist eng und finster, eine untote Fratze grinst von den Postern auf der schwarzen Wand. „Eddie“, das Maskottchen der Metalband Iron Maiden, trifft sich hier auf Augenhöhe mit Angus Young von AC/DC, daneben hängen Plakate von Motörhead, Slipnot und von Feinripp aus Wilhelmsburg. Auch ein paar Trommelfelle mit Unterschriften der Band Saxon sind dabei, die auf dem Weg nach Wacken in Hamburg Halt machte und zufällig im Probenraum nebenan einquartiert war. „Total nette Kerle“, meint Christina. Saxon steht natürlich auch auf der Setliste von Dockerrock. Die Band spielt die Hits der Großen nach eigener Machart. „Eins zu eins übernehmen wir nichts“, sagt Lars. Sogar Popsongs von Pink und Katy Perry bringen sie als Hardrock-Version auf die Bühne. Von Gassenhauern wie „Highway to Hell“ dagegen lassen die Dockerrocker lieber die Finger – viel zu oft gehört, sagen sie. Wenn schon AC/DC, dann lieber „Shoot to Thrill“. „Wir sind nicht so 'ne Top-40-Band“, sagt Christina.
Der harte Sound passt zum Hafen wie die Musiker selbst: Vater Michael und seine beiden Söhne haben hier ihre Jobs, oft geht es direkt von der Bandprobe zur Spätschicht. Auch Christina, die mit Jan Lindner verheiratet ist, arbeitete in der Schifffahrt, als ihre beiden Söhne noch nicht auf der Welt waren. Heute passt Oma auf die Kleinen auf, wenn Jan und Christina im Hafen rocken. Das seien eben die Vorzüge einer Familienband, meint Lars Lindner, der drei Kinder hat.
Mitten im Song aufs Klo? Kein Problem
Auch im musikalischen Sinne seien alle perfekt aufeinander eingespielt. „Wenn Jan etwas im Kopf hat, dann weiß ich genau, was er meint“, sagt Lars. „Es ist echt ein tolles Verhältnis, was wir haben“, meint Christina. „Ich sehe das anders!“, poltert Michael dazwischen. „Die Jungs nerven. Der einzige, der nie nervt, ist Sven!“ Alle grinsen. Auch wenn der Gitarrist als einziger kein Lindner ist und auch weniger Rampensau als die anderen, wissen die Dockerrocker, was sie an ihm haben: einen souveränen Gitarristen, der sich von nichts beirren lässt. Als Jan und Michael bei einem Gig einmal mitten im Song von der Bühne aufs Klo stürmten, spielte Sven Blues, als sei nichts geschehen.
Das Handwerk lernte er zunächst von Jan, der wiederum heimlich an Papas Akustikgitarre geübt hatte. Obwohl Michael seinem Ältesten auf die Schliche kam – „Er hat ein Haar dran geklebt – klassischer Trick“ –, erreichten die Jungs auf eigene Faust Bühnenreife. Alle spielen nach Gehör bringen das ein, was sie wiedererkennen – zum Beispiel den Akkuschrauber, mit dem Jan getreu nach Van Halen den Song „Poundcake“ eröffnet. Auch Christina ist Autodidaktin. „Ich habe immer Leute gehabt, die Musik gemacht haben“, erzählt sie. Ab und zu mache sie auch bei einer Castingshow mit. „Ich will gar nicht berühmt werden“, sagt sie. „Aber ich finde die Atmosphäre da ganz cool. Außerdem mag ich diesen Kick, vor wildfremden Leuten zu singen.“
In Wilhelmsburg passiert das nur noch selten – Dockerrock gehört zu den bekanntesten Bands der Insel. Am kommenden Freitag sind die Fünf Headliner des ersten Festivalabends von Kirchdorf Rocks!. Auf kraftvolle Verstärker und ein rockwilliges Publikum können sie sich verlassen. Und das knifflige Gitarrenriff sitzt jetzt auch.
von Annabel Trauwtein
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Infos:
Wer mehr über Dockerrock erfahren möchte, findet die Band auch im Internet unter www.dockerrock.de.
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