Die IBA in Wilhelmsburg ist vorbei. Mit den letzten Quartiersspaziergängen endete am Sonntag das Präsentationsjahr der Bauausstellung auf den Elbinseln. 70 bauliche, ökologische, kulturelle und soziale Projekte zählte die IBA auf ihrer Abschlussveranstaltung im Bildungszentrum Tor zur Welt. Vor rund 400 Gästen und Journalisten zogen die Verantwortlichen eine positive Bilanz: Die IBA habe in Wilhelmsburg, auf der Veddel und im Harburger Binnenhafen eine Entwicklung angestoßen, die international Vorbild sein soll. Daran will die Stadt Hamburg nun anknüpfen, versprach die Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD) bei einer Pressekonferenz auf dem IBA-Dock. Die Stadt wolle das Engagement der Bauausstellung fortsetzen – gemeinsam mit einer Nachfolgegesellschaft der IBA und privaten Investoren.
Mehr als 1.200 neue und rund 500 sanierte Wohnungen – das hat die IBA nach eigener Aussage auf dem Wohnungsmarkt erreicht. Zudem schreibt sich die Bauausstellung zugute, dass in ihrem Rahmen acht Schulen und Lernorte, vier Kitas, zwei Seniorenheime und 72 Hektar Grünflächen zusätzlich zum igs-Park entstanden seien. „Salopp gesagt: Hamburg hat einen neuen Stadtteil“, verkündete IBA-Geschäftsführer Uli Hellweg im Rückblick auf sieben Jahre Bauausstellung.
Wie sehen das die Menschen in Hamburg? Seit 2007 überprüft die IBA, wie die Entwicklung in Wilhelmsburg wahrgenommen wird. Demnach ist der Wandel in den Köpfen der Hamburgerinnen und Hamburger angekommen. Außerhalb der Insel sei die anfängliche Skepsis einer positiven Einschätzung gewichen, sagte Uli Hellweg. Jüngere Menschen sind den Ergebnissen der Umfrage zufolge besonders an Wilhelmsburg interessiert – rund die Hälfte der 20- bis 30-Jährigen könne sich vorstellen, auf der Insel zu wohnen. „Das ist ein richtiger Fortschritt gegenüber der früheren Situation“, sagte Hellweg. Wie die Wilhelmsburger und Wilhelmsburgerinnen den Wandel ihrer Nachbarschaft erleben, erläuterte er nicht.
IBA: Noch kein Verdrängungseffekt in Sicht
„Wilhelmsburg ist ein extrem dynamischer Stadtteil – er wächst überdurchschnittlich“, sagte der IBA-Chef. Eine Gentrifizierung, also ein Verdrängungseffekt der Aufwertung, sei jedoch in Wilhelmsburg nach wie vor nicht zu verzeichnen. Zwar stellt auch die IBA fest, dass die Mieten in Wilhelmsburg teurer geworden sind – nach ihren Zahlen jedoch bleiben die Mietsteigerungen auf der gesamten Insel unter dem Hamburger Durchschnitt. „Das sind die Fakten – jenseits aller Ideologie, die da immer wieder zu hören ist“, sagte der IBA-Chef. Wilhelmsburg entwickle sich demnach ähnlich wie Billstedt, das jedoch keine gezielte Aufwertung erfahren habe, wie Uli Hellweg betonte. „Es gibt einen Anschluss Wilhelmsburgs an eine durchschnittliche Mietentwicklung in Hamburg“, sagte Hellweg. Auch in Zukunft werde die Mietpreisentwicklung in Wilhelmsburg überprüft – sollte sich dabei ein Verdrängungseffekt abzeichnen, müsse die sofort Stadt gegensteuern.
Diesem positiven Bild widerspricht die Initiative „IBA?NigsDa!“ vehement. Den Aktivistinnen und Aktivisten zufolge hat die IBA die soziale Kluft zwischen arm und reich im Stadtteil verschärft. Für Menschen mit niedrigem Einkommen und unsicheren Lebensumständen habe die IBA nichts erreicht. „Wenn wir zurückschauen, sehen wir den Versuch, das Image dieses Stadtteils zu wandeln, jedoch keinerlei Lösung der drängenden sozialen Fragen“, kritisiert einer der Aktivisten in einer Pressemitteilung. „Die IBA ist an der grundlegendsten Aufgabe gescheitert: Das Leben derjenigen Menschen zu verbessern, die hier wohnen.“
Jutta Blankau, die Senatorin für Stadtentwicklung, zog dagegen ein rein positives Fazit. „Wir konnten eine überaus erfolgreiche Internationale Bauausstellung präsentieren in Hamburg“, sagte sie. „Die IBA hat nicht nur die richtigen Fragen gestellt, sondern auch richtige Antworten geliefert.“ In sieben Jahren habe sie Wilhelmsburg, die Veddel und den Harburger Binnenhafen deutlich geprägt – auch mit Hilfe der internationalen Gartenschau. „Die IBA hat die Insellage Wilhelmsburgs wieder erfahrbar gemacht“, sagte Senatorin Jutta Blankau. Auch die Bewohnerinnen und Bewohner der Insel hätten der IBA viel zu verdanken – etwa neue und modernere Wohnungen, Bildungszentren, neue Gewerberäume und Frei- und Grünflächen. Auch Projekte wie der Umbau Einkaufszentrum am Berta-Kröger-Platz, die nicht direkt zur IBA gehörten, hätten „des Windschattens der IBA bedurft“. Die Menschen im Stadtteil hätten selbst den Anstoß für die Entwicklung der Insel gegeben, die im IBA-Jahr 2013 ihren Höhepunkt gefunden habe. „Nach dem Tod des kleinen Volcan im Jahr 2000 war der Hilferuf von den Elbinseln unübersehbar.“ Die Stadt Hamburg habe darauf reagiert – etwa mit der Zukunftskonferenz, des Rahmenplans „Sprung über die Elbe“ und letztendlich mit der IBA, die von der Stadt mit 90 Millionen Euro ausgestattet wurde.
IBA-Kurator: Stadtentwicklung braucht Großveranstaltungen als Antrieb
Ohne die IBA seien viele Investitionen auf der Elbinsel nicht möglich gewesen – das unterstrich auch der Schweizer Kulturunternehmer Martin Heller, der dem Kuratorium der IBA angehörte. Bei aller Skepsis gegenüber Projekten wie der IBA, die in den Augen vieler Menschen nur teure „Eventmaschinen“ seien, leisteten diese Großereignisse etwas, was die alltägliche Stadtentwicklung nicht schaffe. „Ein solches Format wie die IBA ist eine öffentliche Selbstverpflichtung“, sagte er. Zudem habe die IBA einen Ausnahmezustand herbeigeführt, in dem Geld, Ideen und Verfahrensweisen zum Einsatz kämen, die sonst nicht freigesetzt würden. „Sie hat in nur sieben Jahren etwas ermöglicht, was normalerweise viel viel länger geht: Sie hat ein Bild von einem Stadtteil in den Köpfen verändert, und das ziemlich radikal“, sagte der IBA-Kurator.
Wie geht es nun weiter? Die IBA soll als Projektentwicklungsgesellschaft erhalten bleiben – auch um das Potenzial für neuen Wohnraum zu nutzen, das Wilhelmsburg nach Verlegung der Reichsstraße biete. 5.000 weitere Wohnungen könnten hier entstehen, sagte die Jutta Blankau bei der Pressekonferenz. Das Geld dazu soll vorrangig von privaten Investoren kommen. Einen Sondertopf an öffentlichen Geldern werde es nicht mehr geben, sagte die Senatorin. Neben dem Wohnungsbau sollen auch Umweltprojekte der IBA weitergeführt werden. Ob auch ein soziales Engagement der Bauausstellung fortgesetzt werden soll, um mehr Menschen am Wandel auf der Insel teilhaben zu lassen, ist laut Uli Hellweg noch nicht entschieden. „An den Konzepten wird noch gearbeitet“, antwortete der IBA-Chef auf Nachfrage von WilhelmsburgOnline.de. Die Stadt Hamburg sei jedoch gut beraten, den Ansatz einer ganzheitlichen Stadtentwicklung weiter fortzuführen.
von Annabel Trautwein
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