Eine schöne, große Moschee in Wilhelmsburg – das wünschen sich viele Muslime auf der Insel. Die Islamische Religionsgemeinschaft DITIB Nord möchte diesen Wunsch nun wahr werden lassen. Gemeinsam mit den Gläubigen der Moscheen Yeni Camii an der Korallusstraße und Muradiye Camii an der Eckermannstraße planen sie den Bau einer würdigen Gebetsstätte. Wie könnte die neue Moschee aussehen? Wo soll sie errichtet werden? Was haben die Muslime in dem Gebäude vor? Das erläuterten die Gemeindevertreterinnen und -Vertreter ihren Gästen auf einer Info-Veranstaltung am Mittwochabend im Bürgerhaus.
„Wir wollen aus den Hinterhofmoscheen raus“, erklärt Zekeriya Altuğ, Vorsitzender der DITIB Nord. Die neue Moschee, die er und seine Gemeindemitglieder sich wünschen, soll in erster Linie eine würdige Gebetsstätte sein. Sie soll allen Glaubensbrüdern und -Schwestern Platz für Freitagsgebete und Feste bieten. Auch für die Jugendlichen der Gemeinde soll es Räume geben – für Religionsunterricht, aber auch für Sport- und Freizeitangebote oder Beratung bei Fragen rund um Schule und Beruf. „Moscheen waren immer Vielzweckgebäude“, sagt Zekeriya Altuğ. „Orte, an denen das Leben pulsiert.“ So sieht es auch Mustafa Yoldaş, Vorsitzender der Schura, dem Rat der islamischen Gemeinden Hamburg. „Für uns Muslime ist die Moschee das schlagende Herz unserer Gemeinde“, sagt er. Die neue Glaubensstätte könne als Begegnungsstätte eine Bereicherung für Wilhelmsburg sein.
Beten im Regen
Für die Musliminnen und Muslime der beiden DITIB-Gemeinden in Wilhelmsburg ist die neue Moschee nicht nur ein schöner Traum, sondern praktische Notwendigkeit. Zum Freitagsgebet in der Yeni Camii, einer kleinen Erdgeschosswohnung im Innenhof der Hochhaussiedlung, drängen sich rund 400 Gläubige zusammen, sagt der Vorsitzende Ömer Öztürk. An Feiertagen zählt er etwa 500 Leute. Weil der Platz drinnen nicht reicht, beten sie draußen, auch bei Regen oder Schnee. In der Muradiye-Moschee, die früher eine Kirche war, ist der Gebetsraum deutlich größer. Für gemeinsame Gebete von Männern und Frauen reicht der Platz trotzdem nicht. Für Muslime gilt das Gebet als direkte Begegnung mit Gott – dabei soll niemand durch körperliche Nähe zum anderen Geschlecht abgelenkt werden. Deshalb beten die Musliminnen der Muradiye-Gemeinde im Nebengebäude, erläutert Kamuran Ҫelik, Vorsitzende der Frauenabteilung. „Es wäre natürlich schön, wenn wir unseren Imam beim Gebet auch sehen könnten“, sagt sie. Zudem reiche an Festtagen auch für ihre Gemeinde der Platz oft nicht aus. Männer wie Frauen beten dann draußen. Raum für soziale Aufgaben fehlt in beiden Moscheen, sagen die Gemeindevertreter.
Wie könnte eine neue Moschee in Wilhelmsburg aussehen? „Es soll kein Protz-Bauwerk sein“, sagt Zekeriya Altuğ. Ob mit Kuppel, mit Minarett oder ohne, steht noch nicht fest, denn es gibt noch keine Zeichnungen oder Entwürfe. Eine Zentrums-Moschee wie in Duisburg-Marxloh oder in Köln, wo derzeit eine architektonisch hochmoderne Glaubensstätte entsteht, seien in Wilhelmsburg weder realisierbar noch erwünscht, sagt der DITIB-Vorsitzende. Um auch an Festtagen alle Gläubige beherbergen zu können und zusätzlich Raum für soziale Angebote und Parkplätze zu bieten, sei ein Grundstück von 2000 bis 3000 Quadratmetern jedoch angemessen. Die Moschee hätte dann etwa die Größe eines Discount-Supermarkts. Äußerlich sollte sie jedoch klar als Moschee erkennbar sein. Diesen Wunsch äußerten im Bürgerhaus nicht nur die Muslime, sondern auch ihre nicht-muslimischen Gäste. Als sichtbares Zeichen des Islam auf der Insel soll sie Wilhelmsburg auch optisch bereichern. „Uns ist wichtig, dass sich Moscheen ins Stadtbild integrieren“, sagt Zekeriya Altuğ.
Gespräche mit der Stadt laufen
Nun suchen die Gemeinden nach einem geeigneten Grundstück. Klar ist: Das Geld für den Bau muss der Verband selbst aufbringen. Die Kosten sollen aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und späteren Mieteinnahmen gedeckt werden. „Der Hamburger Senat kann uns finanziell nicht unterstützen“, sagt Altuğ. Möglich wäre aber, dass die Stadt dem Verband ein Grundstück zum Kauf anbietet, das ausschließlich für religiöse Zwecke gedacht ist. So regelt es der Staatsvertrag, den die Stadt Hamburg mit den muslimischen Gemeinden DITIB, Schura und VIKZ geschlossen hat und der die muslimischen Gemeinden erstmals als Religionsgemeinschaften anerkennt. Der DITIB-Vorsitzende sieht darin eine große Chance, denn gegen die Konkurrenz privatwirtschaftlicher Investoren hätte der Verband auf dem Grundstücksmarkt keine Chance. Altuğ ist optimistisch: Die Gespräche mit Oberbaudirektor liefen bereits, auch der Bezirk wolle die Muslime unterstützen. „Die Stimmung ist konstruktiv“, sagt er.
Wenn schon eine große Moschee, wieso beten dann nicht gleich alle Muslime in Wilhelmsburg unter einem Dach? Auch diese Frage beschäftigte die Gäste im Bürgerhaus. „Ein schöner Traum“, entgegnete Mustafa Yoldaş von der Schura. „Aber leider nicht machbar.“ In Glaubensfragen seien sich die Gemeinden zwar einig, sagt er. Doch hätten sie meist keine gemeinsame Geschichte und seien unterschiedlich strukturiert. Zudem böten die verschiedenen Moscheen ihren Gläubigen eine eigene kulturelle Heimat – und die sehe für Muslime aus dem Balkan manchmal anders aus als für türkische Muslime oder Gläubige aus Afrika. Islam ist nicht gleich Islam, sagen die Glaubensvertreter. Diese Vielfalt solle auch erhalten bleiben. „Diese Heterogenität, der Pluralismus des Islam ist doch ein Segen“, sagt Zekeriya Altuğ.
Er ist sich sicher: Eine neue Moschee könnte viel für Wilhelmsburg leisten, nicht nur für die Musliminnen und Muslime. Sie könnte die Menschen auf der Insel näher zusammenbringen – viel besser, als es die provisorischen Glaubensstätten in Hinterhöfen und Zwei-Zimmer-Wohnungen je könnten. Über den Stand ihrer Pläne wollen die Gemeinden weiterhin öffentlich informieren. „Wir wollen die Wilhelmsburger an diesem Prozess teilhaben lassen“, sagt Zekeriya Altuğ.
von Annabel Trautwein
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