Klares Signal aus Wilhelmsburg: Der Zaun soll weg

In der Debatte um den Inselpark-Zaun geben die Wilhelmsburger dem Bezirksamt Mitte ein klares Signal: Der Zaun soll weg. Diese Meinung vertraten fast alle, die sich bei der Veranstaltung „Park-Ratschlag“ im Bürgerhaus an den Mikrofonen äußerten. Auch wenn das Fachamt Management des öffentlichen Raums zwei vorläufige Varianten für einen etwas weniger umzäunten Park vorstellte – die Mehrheit im Saal beschrieb den Zaun als sinnlos, hinderlich und als Ergebnis eines gebrochenen Versprechens. Die Bezirksvertreter kündigten dennoch keinen Kurswechsel an.

Wie geht es weiter mit dem Zaun am Wilhelmsburger Inselpark? Ob er bleibt oder fällt, soll das Bezirksamt entscheiden – nach Gesprächen mit Betroffenen aus dem Stadtteil. Nun sind die Menschen in Wilhelmsburg dem zuvor gekommen. Fünf Gruppen luden zu einem „Park-Ratschlag“ am Dienstagabend im Bürgerhaus ein und hunderte Interessierte kamen. Der Verein Zukunft Elbinsel, das Beteiligungsprojekt Perspektiven, der Stadtteilbeirat, die Kleingartenvereine der Insel und die Interessengemeinschaft Wilhelmsburger Inselpark e.V. eröffneten ein Forum, bei dem alle aufgerufen waren, ihre Meinung öffentlich kund zu tun – auch die Vertreterinnen und Vertreter des Bezirksamts.

Wilhelmsburg solle einen Stadtpark bekommen wie Planten un Blomen, eröffnete Bodo Hafke vom Bezirk die Gesprächsrunde. Der Leiter des Dezernats für Wirtschaft, Bauen und Umwelt konzentrierte sich auf die Vorzüge, die ein solcher Stadtpark für die Menschen biete, ließ aber auch keinen Zweifel daran, dass dies nicht rund um die Uhr zu haben sein soll: „Wir möchten nach dem jetzigen Stand den Zaun dort belassen und wir möchten auch nach diesem Modell den Park nachts schließen.“ Gerd Baum, Leiter des Fachamts für Management des öffentlichen Raumes, sah den Inselpark zwar eher als dritten Volkspark Hamburgs, doch auch er plädierte für die nächtliche Schließung. Die Gründe lieferte er in Form einer Bilderserie: Graffiti auf Betonelementen, ein zerstörter Mülleimer, Schutthaufen auf einer Wiese, Schäden am Zaun selbst. „Das ist nicht neu für uns“, sagte Gerd Baum. „Wir kennen das in ganz Hamburg-Mitte, und auch in den anderen sechs Bezirken ist es so, dass wir diese Vandalismus-Schäden haben.“ Angesichts der rund 70 Millionen Euro, die der Park gekostet habe, sei der Zaun nötig, um derartige Schäden zu verhindern.

Zwei Varianten für einen weniger umzäunten Park

Für den zukünftigen Verlauf des Zauns präsentierte Claudia Wollny vom Fachamt Management des öffentlichen Raumes zwei vorläufige Varianten. In beiden Entwürfen bleibt der Großteil des Parks eingezäunt. Rund um die Uhr zugänglich wären laut der ersten Variante die Straße Hauland, die Fläche zwischen den Gärten in der ehemaligen Welt der Kulturen und dem Kuckucksteich sowie ein größerer Teil des Kurt-Emmerich-Platzes, weil der Zaun am ehemaligen igs-Haupteingang auf Höhe des Schwimmbades verlegt würde. Die zweite Variante ließe zusätzlich eine Ost-West-Verbindung frei, sodass Menschen aus Kirchdorf den Park jederzeit Richtung Mengestraße durchqueren könnten. Der Mengepark soll nach den bisherigen Plänen weiterhin umzäunt bleiben. Ausgenommen wäre dort nur die Gastronomie im Wasserwerk. Ob es dabei bleibt, ist noch unklar. Auf Nachfrage von WilhelmsburgOnline.de teilte das Bezirksamt mit, die Karten zu den Entwürfen sollten noch nicht publik gemacht werden, „da diese vorgestellten Entwürfe nur einen temporären Charakter haben und sich weiterhin fortlaufend ändern“.

Zufrieden geben wollten sich die meisten Wilhelmsburger im Saal damit ohnehin nicht. Nur in einem Punkt stimmten sie mit dem Bezirksamt weitgehend überein: Der Park hat außergewöhnlich viel zu bieten. „Es handelt sich bei den Skatepark im Inselpark um eine der besten Rollsportanlagen im Norden“, erläuterte Volker Lux als Vertreter der Rollsportler im Inselpark – „besonders was die nächtliche Nutzung betrifft.“ Dass der Skatepark mit seiner Flutlicht-Anlage auch für den Betrieb bei Dunkelheit ausgestattet sei, werde international hoch geschätzt, weil gerade das den Skatern oft fehle. Zudem hätten viele Menschen in Wilhelmsburg lange Arbeitstage und kämen erst Abends dazu, den Park und seine Angebote zu nutzen. Helga Arp merkte an, dem Bezirksamt gehe es darum, was gut für den Park ist – wichtiger finde sie aber, was gut für die Menschen ist. „Vandalismus kann immer passieren“, sagte Hartmut Sauer. „Wenn sie das verhindern wollen, dann müssen sie den Park 24 Stunden lang einzäunen und keinen mehr reinlassen. Wenn das aber ein Park für Menschen sein soll, dann muss der immer nutzbar sein.“

IBA-Planer Dieter Läpple: „Zäune waren Merkmale des feudalen Parks“

Neben der Interessengemeinschaft Wilhelmsburger Inselpark e.V., die nach Aussage ihres Vertreters Jost Hüttenhain keine einheitliche Meinung zum Zaun habe, sprach sich nur ein Wilhelmsburger für die nächtliche Schließung des Parks aus. In Wilhelmsburg sei es – anders als an vielen anderen Orten in Hamburg – offenbar üblich, Müll am Straßenrand abzuladen, erläuterte Herr Rejmanowski seinen Standpunkt. Darüber ärgere er sich bisweilen so sehr, dass er bestimmte Wege durch den Stadtteil meide. „Ich plädiere für eine intelligente Lösung“, sagte er. Der Zaun solle nicht bleiben, wie er heute ist. Aber er sollte nachts geschlossen werden – wie in vielen Städten Europas üblich. Als Kleingärtner des Vereins auf der Höhe, der nachts zugesperrt ist, habe er damit gute Erfahrungen gemacht. Jürgen Hielscher, Sprecher der Kleingartenvereine auf der Insel, sah das anders: „Kleingärten sind öffentlicher Raum. Und öffentliche Räume kann man nicht abends um 23 Uhr einfach schließen.“ Auch Dieter Läpple, der als Planer an der IBA beteiligt war, argumentierte für die dauerhafte Öffnung des Parks. „Ich finde es völlig unpassend, diesen Abend zu beginnen mit dem wunderbaren Bild von Planten un Blomen“, kritisierte er. „Diese Tradition beginnt Anfang des 19. Jahrhunderts, als Bürgerbewegungen überall in Europa gekämpft haben für öffentliche Parks, gegen das Konzept des geschlossenen, feudalen Parks, der immer mit Zäunen gekennzeichnet war.“

Zerstörungen und herumliegender Müll war vielen im Saal ein Ärgernis – jedoch bezweifelten die meisten, dass ein Zaun das verhindern könnte. „Glaubt denn jemand ernsthaft, dass Sprayer von so einem kleinen Zaun abgehalten werden?“, fragte Helmut Biljes, Vorsitzender des Vereins Kirchdorfer Eigenheimer. Schließlich gebe es Graffiti an den unzugänglichsten Orten in der Stadt. „Wenn es um Vandalismus geht, wir Bürger sind selbst gefordert.“ Laut Manuel Humburg sei bei Erhalt des Zauns sogar mehr Ärger zu erwarten: „Der vorhandene Zaun hat den bisherigen Vandalismus nicht verhindern können. Im Gegenteil: Ein Teil des Vandalismus war Vandalismus gegen den Zaun.“ Die Argumentation, dass alles wertvolle umzäunt und bewacht werden müsse, sei ein fatales Signal für die Zukunft, kritisierte Michael Rothschuh. Nach der Logik müsse auch der Stübenplatz mit einem Zaun abgegrenzt werden. Jörg v. Prondzinsky hielt die ganze Debatte um Vandalismus für einen Vorwand, um den Park wirtschaftlich verwertbar zu machen. „Wenn das ernst gemeint ist mit dem Vandalismus, dann schlage ich vor, das Problem an der Wurzel zu packen und die Wilhelmsburger Wohngebiete einzuzäunen“, fügte er spöttisch hinzu.

Besonders schwerwiegend war für viele Menschen im Saal, dass das Bezirksamt sein Versprechen gebrochen hatte: Selbst im gültigen Bebauungsplan 90 sei noch zu lesen, dass „der Wilhelmsburger Inselpark allen vollständig und uneingeschränkt zur Verfügung gestellt“ werde, zitierte Micheal Rothschuh. Nun aber breche der Bezirk das Recht, was er selbst beschlossen habe. Höhere Kosten seien kein Argument, kritisierte Jan Hoppe: „Ich würde gerne wissen, was es kostet, jeden Tag einen Wachdienst zu bezahlen.“ Shila Chakrabarti, die sich als ehemalige igs-Gästeführerin vorstellte, stimmte ihm zu. „Es war ja damals auch klar, was das alles gekostet hat. Nichtsdestotrotz hat man immer gesagt: Dieser Park wird später geöffnet“, sagte sie. So habe sie es selbst mehr als tausend Gästen auf der Gartenschau erzählt. „Da komme ich mir ein bisschen benutzt vor“, sagte die frühere igs-Führerin.

Vorschläge für eine bessere Lösung

Wie könnte der Park sinnvoll geschützt und erhalten werden? Die meisten Wilhelmsburger an den Mikrofonen setzten auf Eigenverantwortung. Renate Hercher-Reis berief sich dabei auf den SPD-Innensenator: „Michael Neumann hat im August 2012 auf einer igs-Veranstaltung gesagt: Der erste Schritt, um Vandalismus vorzubeugen ist der, dass der öffentliche Raum von denen gestaltet wird, die ihn nutzen“, sagte sie. Sie schlug vor, pädagogisches Personal einzusetzen, um Kinder und Jugendliche zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Park anzuregen. „Wie wär's denn mit der Einrichtung oder Förderung von Park-Patenschaften?“, fragte Claudia Roszak. Etwas ähnliches hat der Interkulturelle Garten der igs bereits zugesagt: Gemeinsam mit Schulklassen will der Verein die sogenannten Heimatgärten pflegen. Das werde man sich nun noch mal überlegen, sagte Helga Arp vom Interkulturellen Garten: „Wenn der Zaun um den Park stehen gelassen wird werden wir dieses Angebot zurückziehen. Wir wollen keinen Zaun. Das haben wir igs und Bezirksamt auch so mitgeteilt.“

Was nun? Diese Frage musste am Ende auch Bodo Hafke vom Bezirksamt beantworten. „Ich werde auch dieses Ergebnis mitnehmen und es in die Diskussion einbringen“, sagte er. Planänderungen kündigte er nicht an – der Dezernatsleiter blieb bei den bisherigen Versprechen, sich mit Anwohnern, Stadtteilbeirat, Regionalausschuss, Interessengruppen und Initiativen austauschen zu wollen. „Sie scheinen nicht gekommen zu sein, um einen Dialog einzugehen, sondern eigentlich verteidigen sie, was sie eh schon machen“, kritisierte Shila Chakrabarti und bekam dafür tosenden Applaus. Noch mehr Beifall bekam der künftige Inselpark-Anwohner Andreas Kloevekorn, der dem Bezirksamt noch einigen Gegenwind in Aussicht stellte: „So wie ich die meisten Wilhelmsburger kennengelernt habe: Die geben nicht Ruhe, bis der Zaun weg ist.“

von Annabel Trautwein

 

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Kommentare

9 Antworten zu „Klares Signal aus Wilhelmsburg: Der Zaun soll weg“

  1. Avatar von Fred Elbinsulaner
    Fred Elbinsulaner

    Schöner Artikel – das Schlusszitat fasst es wunderbar zusammen. Ruhe kehrt erst ein, wenn der Park wirklich offen ist. Bin dabei beim Gegenwind! Gut, dass auch Dieter Läpple sich klar dagegen geäußert hat (und die Schreibweise von Shila Chakrabarti bitte verbessern)!

  2. Avatar von WilhelmsburgOnline.de

    @ Fred: Ist korrigiert, vielen Dank für den Hinweis!

    @ Mathias: Dankeschön für den Link!

    Weitere Infos zum Thema findet ihr auch auf der Seite vom Verein Zukunft Elbinsel: http://zukunft-elbinsel.de/park-ratschlag-11-2-2014-was-mensch-wissen-sollte/

  3. Avatar von WilhelmsburgOnline.de

    Einen Film von der Debatte findet ihr hier: http://www.youtube.com/watch?v=fXjL2OVJ5B8&feature=youtu.be

    Vielen Dank an Klaus Schmidt für Aufnahme und Schnitt!

  4. Avatar von Hugo
    Hugo

    Ein ausführlicher Artikel, ein Ton-Mitschnitt und jetzt auch noch eine Filmdokumentation: Diese authentische, unabhängige Berichterstattung ist gar nicht hoch genug einzuschätzen!
    Man hatte am Ende der Veranstaltung ja nicht den Eindruck, dass die vier Gäste vom Bezirksamt wirklich begriffen hatten, dass der Park-Ratschlag am 11.2. 2014 ein eindeutiges und von einer überwältigenden Mehrheit im Saal getragenes Votum dafür war, die  Pläne für einen Zaun in die Tonne zu treten. So können sie sich in aller Ruhe die vielen Vorschläge, die stattdessen zum Erhalt des Parks und seiner Einrichtungen vorgetragen wurden, noch einmal anhören.
    Bin mal gespannt, wie die Verwaltung auf diese eindeutige Stimmungslage reagieren wird. Demnächst sind aber auch Bezirkswahlen, und wir können jede einzelne Kandidatin und jeden einzelnen Kandidaten nach ihren Positionen zu Zaun oder öffentlicher Raum beurteilen.
    Oder wie es ein Redner ausdrückte: "Dies Thema wird sie so lange verfolgen, wie dieser Zaun da ist. Und so wie ich die meisten Wilhelmsburger kennengelernt habe in den letzten Jahren: Die geben nicht Ruhe, bis der weg ist. Und ich werde auch nicht Ruhe geben.”
    Auch solche wertvollen Aussagen können Dank Ton-Mitschnitt den Verantwortlichen ins Stammbuch geschrieben werden.

  5. Avatar von Volker Schenk
    Volker Schenk

    Der Abbau des Tores / der Tore und der Absperrungen im Bereich des Haupteinganges hat bereits begonnen.

    Nun gilt es abzuwarten, ob die Querung und Nutzung des Parks in den zuvor geplanten Sperrstunden entsprechend den Wünschen und Forderungen der Zaungegner auch genutzt wird;

    oder ob die Befürchtungen der Zaunbefürworter bzgl. Metalldiebstahl und Vandalismus eintreten.

    Ich wünsche mir nur, dass in den jetzt noch abgesperrten Bereichen die Abbau- , Räumungs- und Pflanzungsarbeiten endlich beendet und die verbliebenen Bauzäune entfernt werden – und dass der Park uns die nächsten Jahre so erhalten bleibt und genutzt wird, wie wir uns alle es erhoffen.

  6. Avatar von fogman

    Als neu Hinzugezogener bin ich begeistert, wie sehr die Bürger in diesen Fragen zusammenhalten. Heisst es doch in meiner Heimat oft, in der Stadt würde jeder nur an sich denken. Ganz ehrlich – besagte Dörfler können sich von einem solchen Zusammenhalt wie er hier demonstriert wird gerne eine dicke Scheibe abschneiden. Ich werde mich bemühen meine Kraft zur Verfügung zu stellen, denn auch ich bin der Meinung dass der Park offen bleiben sollte. Insgesamt liegt mir das Thema immer mehr am Herzen, je mehr ich davon erfahre. Ein großes Lob auch an die Macher dieser Seite, die ich durch Zufall entdeckt habe. In Wilhelmsburg hat man das Gefühl es bewegt sich was. Und das macht Lust auf Mitarbeit.

    1. Avatar von H-J Maass
      H-J Maass

      "Wenn du das Leben begreifen willst, glaube nicht, was man sagt und was man schreibt, sondern beobachte selbst und denke nach." – Anton Tschechow

  7. Avatar von WilhelmsburgOnline.de

    Die beiden Entwurfspläne zum möglichen Verlauf des Zauns sind nun auch endlich öffentlich zugänglich! Hier könnt ihr sehen, welche Optionen das Bezirksamt Hamburg-Mitte sich bisher vorstellen kann: http://www.hamburg.de/contentblob/4279758/data/inselpark-zaun-varianten-dl.pdf

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