Es ist plötzlich ganz still, als Derya Yildirim die Saiten ihres Instruments anschlägt. Mit den melancholischen Klängen ihrer Ud, der türkischen Kurzhalslaute, hat die junge Frau ihr Publikum innerhalb von Sekunden verzaubert. Derya ist eine von 115 Solisten und Bands von der Insel, die im vergangenen Jahr bei dem Musikfestival 48h Wilhelmsburg an mehr als 60 verschiedenen Orten im Stadtteil auftraten. Beim Benefiz-Konzert für 48h am Samstag in der Honigfabrik machte sie den Auftakt.
Gebannt lauschen die Gäste Deryas gefühlvoller Stimme und den traurigen Melodien. Sonst ist im Publikum kaum ein Laut zu hören. Wie viele Wilhelmsburger Künstler zeigt Derya mit ihrer Musik auch ein Stück ihrer Herkunft. Sie kombiniert traditionelle türkische Volksmusik mit Jazz und Popmusik. Es sind meist melancholische Lieder aus der Heimat ihrer Eltern – Mittelanatolien. „Die Melancholie ist herauszuhören“, erklärt die 20-Jährige. „Wahrscheinlich haben die Leute ihre Sorgen über die Musik vergessen.“
Ihr Lieblingslied hat jedoch keine besondere Bedeutung. „Es klingt einfach nur schön“, sagt Derya und hat damit gleich ein paar Lacher auf ihrer Seite. Bei dem heiteren Popsong wippen die ersten Füße mit. Dass auch noch eine Zugabe gefordert wird, kommt Derya ganz gelegen: So kann sie noch eines ihrer geliebten Volklieder unterbringen. Dann muss sie das Mikro auch schon an den nächsten Interpreten weiterreichen.
Das Soli-Konzert soll aber schließlich auch nur einen Vorgeschmack geben. Wer die Musik länger genießen will, muss einfach im Sommer zu 48h Wilhelmsburg kommen. Dort werden vom 13. bis 15. Juni neben Derya wieder viele weitere Wilhelmsburger Künstler an unterschiedlichen Spielorten ohne feste Bühne kostenlos auftreten. Um dem Festival eine Starthilfe zu geben, haben Katja Scheer und ihr Team die Benefiz-Veranstaltung organisiert. Zahlreiche Unterstützer, Nachbarn und Freunde sind in die Honigfabrik gekommen.
Auch Lokalheld Eddy Winkelmann ist mit an Bord, um seine Liebe zur „Insel seiner Träume“ zu besingen. Weil ihm Wilhelmsburg und das Festival am Herzen liegen, ist er extra zur Unterstützung gekommen, obwohl er am selben Abend noch einen anderen Auftritt hat. Irgendwie müsse man ja auch seine Brötchen verdienen, sagt Winkelmann und fügt scherzend hinzu: „Sonst sehen wir uns hier im nächsten Jahr wieder. Nur sammeln wir dann nicht mehr für 48 Stunden, sondern für mich.“ Dann rauscht er auch schon wieder ab. Der Chor Thuma Mina übernimmt mit Liedern aus aller Welt, während im ersten Stock der Folkstanzwirbel startet. Unten geht es mit tanzbarer Countrymusik der Gruppe Butts on Buckets weiter, die bei der Beschreibung ihrer Lieder schnell feststellt: „Eigentlich ist ja jedes unserer Lieder eins über Wilhelmsburg.“
Das trifft auf alle Künstler zu. Denn sie alle sind ein Stück Wilhelmsburg und damit erzählt auch jedes ihrer Lieder letztlich eine Geschichte über die Insel. Zum Schluss heizt die Postpunkrockband Havarii noch mal ordentlich ein. Der ganze Abend ist bunt gemixt, wie der Stadtteil selbst. Von allem ist etwas dabei. Genau deshalb liebt Derya es auch so sehr, hier aufzutreten: „In Wilhelmsburg macht es immer Spaß zu spielen, weil man hier akzeptiert wird – egal was man spielt.“
Weitere Infos zum Festival gibt es unter www.48h-wilhelmsburg.de
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