Über die Elbe, unter der Elbe hindurch: Täglich sind Menschen aus Wilhelmsburg unterwegs in die Stadt oder zurück auf die Insel. Dabei stoßen sie immer wieder auf Barrieren. Der alte Elbtunnel bleibt noch jahrelang Baustelle, angesichts der Kostensteigerungen sind bereits Gerüchte über eine Maut für Fußgänger und Radfahrer im Umlauf. Die Ticketpreise beim HVV haben die 3-Euro-Marke für eine einzelne Fahrt erreicht. Und auf den Norderelbbrücken kommen sich auf dem schmalen Nebenfahrstreifen Radfahrer und Fußgänger in die Quere. Auch wenn Insel und Stadt zusammenwachsen sollen – der Sprung über die Elbe ist im Alltag beschwerlich. Mit langem Anlauf wollen einige Wilhelmsburger etwas daran ändern.
Riskant, verwirrend und voller Hindernisse, die sich vermeiden ließen – so beschreibt Heike Bunte den Weg per Fahrrad über die Norderelbbrücken. Die Wilhelmsburgerin spricht aus Erfahrung: Auf ihrem Weg zur Arbeit und zurück ins Reiherstiegviertel radelte sie täglich zwischen Autos, Bussen und Lastwagen hindurch. Besonders gefährlich findet sie die Einmündungen an der Zweibrückenstraße: Ein Beschleunigungsstreifen führt dort direkt über den Radweg. Fahrradfahrer haben zwar offiziell Vorfahrt, könnten sich aber nicht darauf verlassen, dass die Autofahrer das auch mitbekommen, kritisiert Heike Bunte. „Ich möchte nicht wissen, wie viele Unfälle täglich von aufmerksamen Radfahrern vermieden werden müssen“, schreibt sie in einer Petition an die Stadt. Immer wieder quietschen demnach die Reifen, weil achtlose Autofahrer erst in letzter Sekunde auf die Bremse steigen.
Auch auf dem Rad- und Fußweg an der Seite der Brücken sind die nicht-motorisierten Verkehrsteilnehmer nach Heike Buntes Erfahrung nicht sicher. Radfahrer, Rollstuhlfahrer, Fußgänger und Briefträger mit ihren Lastenrädern teilen sich die schmale Spur in beide Richtungen. Kurz vor dem Übergang zwischen Veddeler Brückenstraße und Veddeler Elbdeich ist der Rad- und Fußweg kaum einen Meter breit und von offenen Kanten der Leitplanken gesäumt. „Da möchte man lieber nicht reinfallen“, schreibt Heike Bunte.
Petition: Radfahrer auf die Busspur
In ihrer Petition an den Eingabeausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft wirbt die Wilhelmsburgerin für eine bessere Lösung: Die Busspur in der Mitte der Brücken soll für den Radverkehr freigegeben werden. „Mit minimalem Aufwand ließe sich ein immenser Zuwachs an Komfort und Sicherheit für die Radfahrer erreichen“, schreibt sie. Auf der Trasse fahren zwei Buslinien in die Stadt und zurück: Die Linie 34 fährt werktags alle 20 Minuten, die Linie 154 im Zehn-Minuten-Takt. „Die Busspur wird schon jetzt regelmäßig von Radfahrern genutzt“, sagt Heike Bunte. Dass sie den Busverkehr nicht stören, sei nicht nur ihre eigene Erfahrung. Es gebe auch eine Machbarkeitsstudie, in der die Freigabe der Busspur „unbedingt empfohlen“ werde. Zuwege zur Spur seien vorhanden, an einigen Stellen müssten nur Fahrradampeln und Schilder ergänzt werden.
Den Verein Zukunft Elbinsel hat Heike Bunte mit ihrer Petition schon überzeugt: In einer Presseerklärung schloss sich der Verein den Forderungen an. Auch die Fahrradstadt Wilhelmsburg, der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) in Hamburg, der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) und der Hamburger Naturschutzbund NABU unterstützen Heike Buntes Idee. Die Petition, die die Stadt zum Umdenken bewegen soll, ist bereits unterwegs in die oberste politische Etage. „Der Eingabenausschuss hat entschieden, dem Senat die Angelegenheit für eine neuerliche Entscheidung vorzulegen“, sagt Heike Bunte. Ihr geht es dabei auch um Fairness. „Der Satz: 'Sprung über die Elbe' sollte für alle Verkehrsteilnehmer gleichermaßen gelten“, findet sie.
HPA: Keine Tunnel-Maut für Radfahrer und Fußgänger in Sicht
Gibt der Senat die Busspur über die Elbbrücken frei, ist zumindest den Radfahrern auf der westlichen Strecke zwischen Elbinseln und Stadt geholfen. Am Elbtunnel nach St. Pauli jedoch ist noch keine Besserung in Sicht – im Gegenteil. Die Bauarbeiten zur Sanierung der Tunnelröhren werden deutlich teurer und langwieriger als geplant, wie die Hamburg Port Authority (HPA) auf Nachfrage von WilhelmsburgOnline.de bestätigte. Ausgehend von der bisherigen Planung würde das Vorhaben statt 62 Millionen Euro rund 100 Millionen kosten. Auch der Zeitplan ist hinfällig. Zwar soll die östliche Tunnelröhre wie vorgesehen 2016 fertig sein, doch was danach kommt, ist noch offen. „Wir müssen jetzt überlegen, wie wir vorgehen“, sagt der Sprecher der HPA. Im Spätsommer soll der Aufsichtsrat über ein neues Betriebskonzept entscheiden. Dabei soll auch geklärt werden, ob die Röhren Einbahnstraßen bleiben sollen. Zurzeit ist der Rad- und Autoverkehr vormittags nur nach Süden und nachmittags nur nach Norden erlaubt – bis 13 Uhr müssen Radfahrer aus Wilhelmsburg absteigen und schieben. Dass auch für Fahrradfahrer und Fußgänger künftig eine Maut fällig werden könnte, ist nach Angaben der HPA jedoch aus der Luft gegriffen. „Das sind Gerüchte, die ich nicht bestätigen kann“, sagte der Sprecher auf Nachfrage von WilhelmsburgOnline.de. „Wir haben nicht vor, da ein Mautsystem einzuführen.“
Für die Fahrgäste des HVV jedoch bleibt der Weg zwischen Insel und Innenstadt eine Kostenfrage. Drei Euro kostet inzwischen das Einzelticket zwischen S-Bahnhof Wilhelmsburg und dem Hauptbahnhof – auch wenn die Strecke nur drei Stationen umfasst. Wer am selben Tag zurück will, kommt mit der 9-Uhr-Tageskarte für 5,90 am billigsten weg. Den Abgeordneten im Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel ist das zu teuer. Sie haben den Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD) beauftragt, sich beim HVV für neue Tarife einzusetzen, die den Menschen auf der Insel zugute kommen. Doch rund vier Wochen nach dem Antrag hat sich offenbar noch nichts getan: Das Bezirksamt meldete auf wiederholte Nachfrage von WilhelmsburgOnline.de bisher kein Ergebnis.
von Annabel Trautwein
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