Das Bezirksamt stellt sich vor – und keiner schaut hin

Was Wilhelmsburger schon immer über das Bezirksamt wissen wollten – am Mittwochabend hätten sie es erfahren sollen. Dazu hatte das Team von Bezirksamtschef Andy Grote (SPD) ins Bürgerhaus eingeladen. Besonders Menschen ausländischer Herkunft sollten angesprochen werden. Doch am Ende blieben die Verwaltungsfachleute unter sich. Höchstens 20 Gäste aus dem Stadtteil zeigten sich bei der Info-Veranstaltung „Bezirksamt Hamburg-Mitte – ein Ort der Vielfalt.“

Mit einer Ansprache des Bezirksamtchefs sollte es um 17 Uhr losgehen. Andy Grote hätte gerne über die Offenheit der Verwaltung gesprochen, über spezielle Angebote für Menschen aus anderen Ländern oder die Chancen, die das Amt als Arbeitgeber biete. Doch als sich nach mehr als einer halben Stunde immer noch kein Publikum für seine Rede eingefunden hatte, ließ er dem Chor Covado den Vortritt. Schließlich gab der Bezirksamtsleiter ganz auf. Der Regionalbeauftragte Thorsten Schulz zählte bis 19 Uhr etwa 20 Leute, die ohne erkennbare Funktion durch großen Saal geschlendert waren. Dem gegenüber standen rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirksverwaltung, einschließlich der Führungskräfte aus den verschiedenen Fachämtern. Klar, dass ihnen niemand sagen musste, wie das Bezirksamt funktioniert. Also hielt Andy Grote lieber eine kurze Ansprache an sein Team: Die Veranstaltung sei ein „Zeichen für die Leistungsfähigkeit des Bezirksamts“, und da nun früher Schluss sei als geplant, könne man zumindest in Ruhe die Champions League genießen. Im Hintergrund rollten die Aussteller ihre Plakate zusammen.

„Es ist bei Weitem nicht das Echo, das wir erwartet hätten“, sagte Andy Grote im Gespräch mit WilhelmsburgOnline.de. In zehn Sprachen hatte das Bezirksamt eingeladen, sich im Bürgerhaus schlau zu machen: Wo gibt es Elterngeld oder Kita-Gutscheine, was braucht man für eine Arbeitserlaubnis, wo kann ich ein Gewerbe anmelden? „Wir haben diese Einladung zigtausendfach verteilt“, sagte der Bezirksamtschef. Die Pressestelle hätte alle informiert, auch fremdsprachige Medien. Es seien Netzwerke und Leute mit guten Kontakten angesprochen worden, damit der Termin im Stadtteil die Runde macht. Auch in den Beratungsstellen sei er angekündigt worden. Den Flop konnte sich Andy Grote nicht erklären: „Wir hatten eigentlich positive Rückmeldungen.“ Ob es vielleicht daran lag, dass sich die Wilhelmsburger ausländischer Herkunft ungern als Sondergruppe ansprechen lassen wollten? Hinweise darauf sah Andy Grote nicht. „In Billstedt war das kein Thema“, sagte er. Dort hatte sich das Bezirksamt schon im Februar vorgestellt, vor rund 250 Leuten.

Wilhelmsburg und Billstedt sind die Stadtteile mit den meisten Einwohnern mit Migrationshintergrund – deshalb wollte sich der Bezirk dort noch einmal gesondert präsentieren. „Wir sind der kulturell vielfältigste Bezirk. Wir sind in einer Vorreiterrolle. Das war eigentlich die Botschaft heute“, erläuterte Andy Grote gegenüber WilhelmsburgOnline.de. Es sollte darum gehen, Hürden abzubauen und auch mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die sich sonst nicht oft an die Verwaltung wenden. Eigens dafür hätten die Fachämter Plakate gemacht, sich Präsentationen überlegt und ihre ranghöchsten Mitarbeiter ins Bürgerhaus geschickt. „Wir wären auf alles vorbereitet gewesen“, sagte der Bezirksamtschef.

Mitarbeiter mit Migrationshintergrund gesucht

Er hätte auch gerne für das Bezirksamt als Arbeitgeber geworben. „Wir wollen mehr Mitarbeiter mit Migrationshintergrund“, sagte Andy Grote. Die Verwaltung solle sich öffnen, deshalb seien Bewerber mit internationaler Familiengeschichte besonders gern gesehen. Auch über spezielle Beratungsangebote für Migranten hätte der Bezirksamtsleiter sprechen wollen. Hier sei Wilhelmsburg sogar besonders gut aufgestellt. Dass es wegen ausreichender Beratung vor Ort wenig Interesse an weiteren Informationen gegeben hätte, wie Andy Grote mutmaßte, ist jedoch zweifelhaft: Noch im November waren Migranten und Sozialberater gemeinsam auf die Straße gegangen, um gegen den Abbau der allgemeinen Sozialberatungsstelle für Migranten im Rathaus Wilhelmsburg zu demonstrieren.

Nun soll sich der Integrationsbeirat des Bezirks mit dem Flop im Bürgerhaus befassen. Bei der öffentlichen Sitzung am 9. April steht eine Auswertung der Veranstaltungen in Billstedt und Wilhelmsburg auf der Tagesordnung. Zumindest einen positiven Effekt hat der Informationsabend aus Andy Grotes Sicht schon erzielt. „Es ist viel Austausch unter den Fachämtern möglich“, bemerkte er schmunzelnd. So sähen die Mitarbeiter wenigstens, womit sich die Kollegen in den anderen Ressorts Tag für Tag befassen.

von Annabel Trautwein

 

Bezirksversammlung wird neu gewählt

Am Sonntag, 25. Mai, soll darüber abgestimmt werden, wer in Zukunft im Bezirksamt das Sagen hat. Bei der Bezirkswahl entscheiden die Bürgerinnen und Bürger, welche Partei oder Wählergemeinschaft in die Bezirksversammlung einziehen darf. Die Fraktion mit den meisten Stimmen stellt den Bezirksamtsleiter. Er ist der Chef der Verwaltung im Bezirk. Wahlberechtigt sind bei der Bezirkswahl alle, die mindestens 16 Jahre alt sind und einen gültigen Pass aus einem der 28 EU-Länder haben.

 

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Kommentare

5 Antworten zu „Das Bezirksamt stellt sich vor – und keiner schaut hin“

  1. Avatar von Michael Rothschuh
    Michael Rothschuh

    Vergessen wird oft: Auch Kinder von Ausländern, die nicht aus der EU stammen, also z.B. aus Afrika, der Türkei, Serbien und Albanien, haben die deutsche Staatsangehörigkeit haben, wenn sie hier geboren sind und ihre Eltern zuvor schon hier ein bestimmte Zeit gelebt haben – auch wenn dieses bisher noch durch die  Optionspflicht  (will ich die deutsche Staatsbürgerschaft oder die der Eltern?) begrenzt ist.Das betrifft gerade in Wilhelmsburg sehr viele zwischen 16 und 23 Jahren.

  2. Avatar von Volker Schenk
    Volker Schenk

    Was sollte man sich auch darunter vorstellen – das Bezirksamt stellt sich vor ?

    Das Bezirksamt ist ein Dienstleister in verwaltungstechnischen Angelegenheiten. Wenn ich z.B. eine Sondergenehmigung brauche, möchte ich wissen, welchen Brief muss ich wem schreiben, damit das funktioniert, und zwar zeitnah. So etwas erfrage ich nicht Monate oder Jahre zuvor bei einem Tag der offenen Tür. Ich möchte dass Straßen ausgebessert, Bäume rund um Straßenternen zurückgeschnitten, Parks gepflegt, Sportplätze in Stand gehalten werden. Wenn ich dann auf solch einer Veranstaltung zum Wegewart, zum Leiter der Grünflächenamtes oder ähnliches gehe, möchte ich eine Vollzugsmeldung hören.

    Aber ich bekomme meist nur den Hinweis, dass und warum aus Geld- und Personalmangel die geforderten Aufgaben eben nicht ausgeführt, meine Wünsche nicht erfüllt werden.  – Aber das hilft mir so wenig wie ein Hühnerauge beim sehen …

    So eine Veranstaltung ist ja nett gemeint – aber z.B. für mich nur vertan'ne Zeit.

    Ihr/Euer

    Volker Schenk

      

  3. Avatar von Schüttauf, Bernd
    Schüttauf, Bernd

    Schade das es nicht im Artikel steht, aber sehr schön war Herr Grote's Anführung es sei wohl zu schönes Wetter als das die Leute ins Bürgerhaus kämen…

    IGS= schlechtes Wetter

    Hier= schönes Wetter

    Hmmm, gut das wir in Hamburg so ein wechselhaftes Wetter haben, da ist für jede Ausrede etwas dabei. Wenn man sich im Viertel umhört – so wußte doch kaum jemand etwas davon und die Plakate waren so vollgedruckt das man sie nicht las.

    Ein schönes Beispiel wie nah die Politik sich am Volk bewegt!

    1. Avatar von Heinrich
      Heinrich

      Lieber Bernd Schüttauf, 
      der letzte Satz ist doppelt falsch. Hier hat sich nicht in erster Line die Politik präsentiert, sondern die Verwaltung, also die fest angestellten Beamten.
      Vor allzu wohlfeilen Vorurteilen, der sich in Ihrem letzten Satz ausdrückt sei also gewarnt.

      Zumal in Billstedt auf die gleichen Plakate und die gleiche Form der Einladung über 250 Bürger gekommen sind.

      Auch die "Ausrede" mit dem Wetter lässt sich leicht aufklären. Die igs war bekanntlich im Freien. Da stört Regen eher das Vergnügen. Diese Veranstaltung fand aber im Saale statt. Insofern ist Ihr Einwand ein bisschen platt. 

      Warum nun aber die Veranstaltung nicht die gleiche Resonanz hatte wie in Billstedt bleibt bis jetzt jedenfalls leider unerklärt. Leider kann ich zur Erhellung dieser Frage ebensowenig beisteuern wie Sie. 

  4. Avatar von Schüttauf, Bernd
    Schüttauf, Bernd

    Guten Tag Herr Heinrich,

    naja, die "Ausrede" mit dem zu schönen Wetter kam von Herrn Grote auf der VA und nicht von mir. Das diese Platt ist, ja da gebe Ich Ihnen recht.

    Ich würde auf die Art und Weise der Informationsverbreitung und die Standorte der Plakate als Fehlerquelle tippen. Aber dies ist auch nur ein Vermutung, das irgendwo etwas falsch lief nicht – ansonsten wäre die Resonanz ja anders ausgefallen.

    Ok, zur Politik und Volk muss Ich dann wohl etwas weiter ausholen:

    Klar macht die Verwaltung keine Politik, sie setzt die Beschlüsse der Politik (bis auf einen kleinen eigenen Ermessensspielraum) nur um. Dies ist dem gemeinen Bürger aber nicht unbedingt so unmittelbar klar, bzw. oder in Folge dessen, wird die Politikverdrossenheit (durch verfehlte oder am Bürger vorbeigeführte Politik) auf die Verwaltung projiziert. Und keiner geht hin….

     

    Schönen Gruß

     

     

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