Gibt es noch eine Chance für die Kirche St. Maximilian Kolbe? Zu einer Debatte über Abriss oder Erhalt des Denkmals im Herzen der Elbinsel kamen am Mittwochabend rund 180 Menschen ins Bürgerhaus. Der Verein Freunde der Denkmalpflege holte Vertreter von Kirche, Stadt und Architektenkammer an einen Tisch, um gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern nach Ideen für den Erhalt des Kirchengebäudes zu suchen. Doch im Laufe der Diskussion stellte sich heraus: Die Kirche hat bereits Fakten geschaffen – die Zeichen stehen auf Abriss. Das rief auch in der eigenen Gemeinde laute Kritik hervor. Mitglieder des Kirchenvorstands sagten, sie seien bei einer Abstimmung unter Druck gesetzt worden.
„Immer wenn eine Kirche aufgegeben werden muss, ist das eine außerordentlich schwere und schmerzhafte Entscheidung“, versicherte Stephan Dreyer, der beim Erzbistum Hamburg für politische Fragen zuständig ist. Trotzdem hätten sich die Pfarrgemeinde und das Erzbistum entschieden, St. Maximilian Kolbe aufzugeben – zugunsten des benachbarten Altenheims. Ein neuer kirchennaher Träger, der Malteser Hilfsdienst, soll es zukunftsfähig machen, wie Stephan Dreyer sagte. Andernfalls würden die Angestellten ihre Jobs und die Bewohner ihr Zuhause verlieren. Um das Seniorenheim auszubauen, brauche der neue Eigentümer aber das Grundstück, auf dem nun die Kirche steht. „Der Abriss der Kirche ist nach derzeitigem Planungsstand Bedingung für den Kauf“, sagte der Bistumsbeauftragte. Dennoch bemühe sich die Kirche um Lösungen, um das Bauwerk zu erhalten. „Ein Abriss ist Ultima Ratio“, sagte Stephan Dreyer.
Erst gegen Ende der Veranstaltung kam heraus: Die Kirche hat bereits nachgegeben. „Die Verträge sind unterschrieben“, räumte der Kirchenvertreter nach mehrfacher Nachfrage ein. Den Kaufvertrag aufzukündigen, sei für das Bistum keine Option, erläuterte er nach der Debatte gegenüber WilhelmsburgOnline.de. „Wir können es uns nicht leisten, den Käufer zu verlieren. Wir haben keinen anderen“, sagte er. Wie viele Interessenten es insgesamt gegeben habe, könne er nicht genau sagen. „Es ist grob eine handvoll, mit denen wir geredet haben“, sagte Stephan Dreyer.
Laut Gesetz darf die Kirche allein entscheiden
Wenn ein Gotteshaus abgerissen werden soll, dann hat die Kirche das letzte Wort – auch wenn es ein Denkmal ist. So regele es der Kirchenstaatsvertrag, den Hamburg mit Katholiken und Protestanten geschlossen hat, erläuterte Hamburgs oberster Denkmalpfleger Andreas Kellner im Bürgerhaus. Grundsätzlich dürfen Denkmal-Besitzer die Bagger anrollen lassen, wenn sie den Behörden darlegen können, dass der Erhalt wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Doch wenn es um Sakralbauten geht, darf die Kirche allein entscheiden. „Da hat das Denkmalschutzamt nicht die Möglichkeit eines Vetos, wie wir es bei anderen Gebäuden haben“, sagte Andreas Kellner.
Wie viel würde die Sanierung der Kirche – im Gegensatz zu ihrem Abriss – kosten? Dazu machte der Bistumsbeauftragte keine Angaben. Bisher war von 400.000 Euro die Rede, diese Summe hatte der Sprecher des Erzbistums gegenüber WilhelmsburgOnline.de auch bestätigt. Stephan Dreyer dagegen sagte, diese Zahl sei nicht belastbar. Er wisse gar nicht, wie sie in Umlauf gekommen sei. Auf die Frage einer Wilhelmsburgerin, wer eigentlich die Finanzlage der Kirche prüfe und ob die Gemeinde die Sanierungskosten überhaupt geprüft habe, sagte er: „Kirchenfinanzen sind ein superkomplexes Thema, das ist nicht so einfach.“ Nur eins sei klar: Die Gemeinde könne die Kirche nicht retten, ohne finanziellen Ruin und das Ende des Katholizismus auf der Insel zu riskieren.
Leiter des Denkmalschutzamts: "Ich war fassungslos"
Dass ausgerechnet die Kirche St. Maximilian Kolbe dem Sparzwang der Gemeinde zum Opfer fallen soll, war für den neuen Denkmalschutz-Chef Andreas Kellner völlig unverständlich. „Ich war fassungslos“, sagte er bei seinem Vortrag im Bürgerhaus. Das Bauwerk, das viele Wilhelmsburger als „Klorolle“ oder „Nonnenrutsche“ kennen, sei nicht nur besonders schön und ein herausragendes Zeitzeugnis. Sie sei auch ein Zeichen der Versöhnung nach dem Krieg, als Menschen vieler Nationen auf der Insel zusammenkamen und den katholischen Glauben teilten. Dass sie 1974 von einem polnischen und einem deutschen Bischof geweiht wurde, sei damals ein wichtiges Zeichen gewesen. Nach der Sturmflut sollte sie auch ein Symbol der Aufbruchstimmung auf der Elbinsel sein, erläuterte Andreas Kellner. Er versprach: Sollte sie saniert werden, würde sich sein Amt maßgeblich an den Kosten beteiligen. Anna Katharina Zülch aus dem Vorstand der Hamburgischen Architektenkammer regte bereits erste Lösungen an: So könne zum Beispiel das Pfarrhaus, wenn es seinen Denkmalstatus verliere, möglicherweise ein besserer Anbau für das Pflegeheim sein als ein Neubau anstelle der Kirche. Deren Bausubstanz könnte dafür mit modernen Verfahren zur Sanierung von Beton erhalten bleiben. Danach solle der Bau neuen Zwecken dienen. „Es wird nur gelingen, diese Kirche zu erhalten, wenn wir ihr eine profane, also nicht-kirchliche Nutzung ermöglichen“, sagte der Leiter des Denkmalschutzamts.
Wie könnte das zweite Leben des aparten Bauwerks aussehen? Dazu fiel den Menschen im Bürgerhaus bereits einiges ein. Bettina Kiehn, die als Vorsitzende der Stiftung Bürgerhaus mit auf dem Podium saß, schlug vor, dort ein Zentrum für interkulturelle Altersbildung einzurichten. „Wir haben alles, was man dazu braucht: Wir haben ein Alten- und Pflegeheim, einen Träger, der unter Umständen Expertise mitbringt und wir haben rundherum Einrichtungen, die sich mit Jugendbildung befassen.“ Ein Lernzentrum für Senioren würde die Lücke füllen zwischen dem Bildungszentrum Tor zur Welt und dem neuen Haus der Jugend und so auch älteren Wilhelmsburgern neue Chancen bieten.
Dass viele Ältere sich den Erhalt der Kirche wünschen, wurde deutlich, als das offene Mikrofon für das vorwiegend aus Senioren bestehende Publikum freigegeben wurde. „Das erste, was mir durchs Herz ging, als ich hörte, dass die Kirche abgerissen werden soll und dazu noch wenige Tage später die Paul-Gerhard-Kirche, da war mir, als ob ich den Krieg wieder erlebte“, erzählte ein Mann, der 1920 in der katholischen Gemeinde in Wilhelmsburg getauft wurde. Detailliert berichtete er von der Ankunft des Architekten Jo Filke und den Herausforderungen beim Bau des Gotteshauses, die er als Mitglied des Kirchenvorstands erlebte. „Ich bin mit der Kirche verwachsen“, sagte er.
Kirchenvorstand kritisiert: "Wir durften nichts sagen"
Auch die Mitglieder des heutigen Kirchenvorstands wehrten sich gegen die Aussage des Bistumsbeauftragten, sie hätten den Abriss gewollt. Als Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat in einer Sitzung im Herbst darüber abstimmen sollten, seien sie unter Druck gesetzt worden: Wenn die Gemeinde den Käufern nicht nachgebe, müsse das Seniorenheim geschlossen werden. „Da kam zur Sprache: Wollt ihr denn dafür verantwortlich sein, dass die Angestellten alle ihre Arbeitsplätze verlieren?“, berichtete Bernardine Schulte im Gespräch mit WilhelmsburgOnline.de. Auch andere Mitglieder des Kirchenvorstandes machten deutlich: Die Entscheidung, das Heim an die Malteser zu verkaufen, habe das Bistum damals bereits getroffen – obwohl es noch einen anderen Interessenten gab. „Aber wir durften nichts sagen“, erklärte Bernardine Schulte. Es sollte offenbar vermieden werden, dass das Personal sich wegen eines Verkaufs neue Jobs sucht.
„Man kann dieses Thema nicht nur aus der Sicht der Kirche betrachten“ – das machte Oberbaudirektor Jörn Walter schon zu Beginn der Veranstaltung deutlich. Nicht nur die Glaubensgemeinde, sondern auch die Stadt Hamburg habe mit der Maximilian-Kolbe-Kirche ein besonderes kulturelles Erbe zu verwalten, sagte er. Der Wert des Bauwerks gehe weit über seinen religiösen Wert hinaus, weil es die christliche Kultur im Stadtbild sichtbar mache. „Wir geben öffentliche Mittel in diese Bauten, weil sie eben für uns alle von Bedeutung sind“, sagte der Oberbaudirektor. Er rief die Kirche auf, mit den künftigen Eigentümern von St. Maximilian Kolbe auch über Wege zum Erhalt des Bauwerks zu verhandeln. „Wir hatten da schon sehr viel kompliziertere Fälle in Hamburg. Ich sehe nicht, wieso das hier nicht gelingen kann.“
Ein Schlag ins Gesicht
Gut anderthalb Stunden später war klar: Der Kaufvertrag ist längst unterschrieben und der Antrag für eine Abrissgenehmigung unterwegs. Die Vertreter der Stadt waren vor den Kopf gestoßen. Dass in der Kirche schon so lange über einen Abriss diskutiert wurde, hätten die Menschen in Wilhelmsburg gern früher erfahren, sagte Klaus Lübke, Sprecher der SPD für Denkmalschutz im Bezirk Mitte. Oberbaudirektor Jörn Walter sagte, es sei ein Schlag ins Gesicht, wenn die zuständigen Behörden der Stadt einfach vor vollendete Tatsachen gestellt würden. Nun müsse die Gemeinde zeigen, dass sie ernsthaft an einer Lösung zum Erhalt der Kirche interessiert sei. Dazu reiche es nicht aus, dass der Bistumsbeauftragte ein Treffen mit dem Malteser Hilfsdienst ankündige. Auch Andreas Kellner, der sich offenbar schon häufiger gegen die beantragte Abbruchgenehmigung einsetzte, forderte eine Denkpause. Bis eine Lösung gefunden sei, solle die Kirche ihre Pläne auf Eis legen. „Wenn Sie sagen, der Abriss ist Ultima Ratio“, sagte er dem Bistumsbeauftragten Stephan Dreyer – „beweisen Sie es.“
von Annabel Trautwein
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