Eine Bühne, ein Mikro, fünf Minuten und das Wort – mehr braucht es nicht, um beim Poetry Slam das Publikum für sich zu gewinnen. Am Freitagabend kamen Slam-Poeten aus Hamburg und anderen deutschen Städten zur Dichterschlacht nach Wilhelmsburg. Acht Literaten traten beim „Kampf der Künste“ in der Tonne an, um sich im Vortragen ihrer Texte zu messen. Darunter war auch Ella Carina Werner, als einzige Wilhelmsburgerin.
Ella ist die erste an diesem Abend. Die Tonne ist rappelvoll. Dicht gedrängt sitzt das Publikum auf Bierbänken, kaum einen Spalt breit von der Bühne entfernt. Wer keinen Sitzplatz mehr abbekommen hat, muss hinten stehen. Ein bisschen aufgeregt ist sie jetzt schon, gesteht Ella kurz vor ihrem Auftritt. Ihr letzter Poetry Slam sei schließlich schon ein paar Jahre her. Schnell zupft sie noch ihr rot-blau-weißes Ringelshirt zurecht. Dann legt sie los – und erzählt von einem „Kacktank“. Der Text beschreibt die miesesten Jobs Deutschlands, wie etwa den des Dixi-Klo-Putzers. Beim Poetry Slam ist eben alles erlaubt, auch Texte über „Scheiß“-Themen – solange sie selbst geschrieben sind. Mit ihrer Satire bringt Ella das Publikum zum Lachen.
Entscheidend ist aber das Urteil der Jury – fünf willkürlich gewählte Menschen aus dem Publikum. Sie halten Punktetafeln in die Luft, mit ihrer Bewertung von 1 bis 10. „Eine 1 wäre wie eine Tütensuppe, die man mit kaltem Wasser angerührt hat“, erklärt Moderator Rasmus Blohm. Die höchste und niedrigste Wertung wird gestrichen – falls Unterstützer eines Teilnehmers dabei sind. Ella bekommt 21,8 Punkte. Doch für den Einzug ins Finale reicht es nicht. Dabei liegt sie nur wenige Punkte hinter Emma Gowland, die mit einem emotionalen Text über Selbstzweifel – und 23,9 Punkten – die erste Runde gewinnt.
Heiter wird es dann wieder in Runde zwei: Jan Wilhelm Schund erklärt sich die Welt mit Computerspielen, der Hamburger Vize-Stadtmeister Tolga Daglum performt mit vollem Körpereinsatz und legt einen konsumkritischen Text mit Rap-Elementen hin. Am Ende lässt Sulaiman Masoni aus Paderborn die schöne Lyrik und den todkranken Genitiv beim „Rat der Sprache“ streiten, und setzt sich mit Charme und gut pointierten Wortwitz durch.
In der dritten und letzten Runde wird es wieder tiefgründiger: Hinnerk Köhn aus Hildesheim philosophiert über die Grenze zwischen Behinderung und Normalität, Marco von Damghan erregt sich über die oberflächlichen Roboter-Verkäufer der Modemarke Abercrombie. Der wohl berührendste Slam-Text des Abends kommt von Jason Bartsch. Der junge Bonner mit Opa-Fliege erzählt die Geschichte von einem alten Greis, der seine demenzkranke Frau bis zu ihrem Tod pflegt – und zieht damit ins Finale ein.
In der Schlussrunde treten die drei Finalisten mit einem weiteren Text gegeneinander an. Am Ende entscheidet nicht mehr die Jury, sondern der Applaus des gesamten Publikums. Die überwiegend weibliche Zuschauerschaft klatscht für den smarten Sulaiman am lautesten. Er gewinnt eine Flasche Whiskey – die in alter Poetry-Slam-Tradition unter den Teilnehmern geteilt wird.
Und Ella – für sie ist es auch kein Drama, nicht gewonnen zu haben, sagt die Wilhelmsburgerin. Sie hatte einfach Lust mitzumachen und sich spontan angemeldet: „Ich wollte einfach mal zeigen, dass es auch hier in Wilhelmsburg gute Autoren gibt.“
[tweetbutton]
Schreibe einen Kommentar