48h Wilhelmsburg erhält Stadtteilkulturpreis

Applaus für 48h Wilhelmsburg: Das Musikfestival von den Elbinseln hat den Hamburger Stadtteilkulturpreis gewonnen. Was die Jury vor allem überzeugte: 48h Wilhelmsburg lädt zum Entdecken des Stadtteils ein, bringt Menschen unterschiedlicher Kulturen zusammen und ist offen für alle. Das Preisgeld von 10.000 Euro soll dazu beitragen, dass das Festival auch in den kommenden Jahren stattfinden kann. Dem Organisationsteam ist das sehr willkommen. Denn das Festival ist zwar für das Publikum kostenlos, aber dennoch nicht umsonst zu haben. 30.000 Euro fehlen derzeit in der Kasse. Damit das Festival auch in Zukunft die Nachbarschaft zum Klingen bringt, bittet das Team alle Musikfreunde um Hilfe.

„Authentisch, kollektiv und experimentierfreudig“ – so beschreiben die Preisstifter vom Verein Stadtkultur Hamburg das multikulturelle Musikfestival aus Wilhelmsburg. Die Idee, ein Fest für den ganzen Stadtteil ohne Kassen, Schranken und Buden zu veranstalten, überzeugte die Jury mehr als jedes andere Projekt. Dabei gab es eine breite Auswahl an originellen Einfällen: 49 Bewerbungen gab es für den Stadtteilkulturpreis, 10 davon kamen in die engere Auswahl. Nun geht der Preis nach Wilhelmsburg. „Die originelle Idee eines interkulturellen Festivals an verschiedenen öffentlichen Orten bietet die Chance für eine Vernetzung in den Stadtteil hinein und ist Symbol und Modell für den Sprung über die Elbe“, finden die Preisstifter. Am Dienstagabend übergab die Kultursenatorin Barbara Kisseler die Siegesplakette an die Macherinnen und Macher von der Elbinsel.

„Das ist eine tolle Würdigung unserer Arbeit“, sagt Katja Scheer. Seit 2007 koordiniert sie vom Bürgerhaus aus die Organisation und Umsetzung des Festivals. In den fünf Jahren ist das 48h Wilhelmsburg immer größer geworden – am diesjährigen Festivalwochenende vom 13. bis zum 15. Juni stehen 162 Acts an 80 verschiedenen Orten auf dem Programm, fast 50 Veranstaltungen mehr als 2013. „Ich habe letztes Jahr schon gesagt, dass wir nicht wachsen möchten. Das ist nicht gelungen“, sagt Katja Scheer. „Dafür ist musikalisch einfach zu viel los auf den Elbinseln.“ Doch auswählen, wer dabei sein darf und wer nicht, kommt für die Organisatoren nicht infrage. Alle, die Lust haben, sollen mitmachen dürfen – als Musiker auf der Bühne, als Gastgeber in der eigenen Wohnung, im Geschäft oder in der Kneipe, als Helfer oder als Publikum. Die vielen Angebote und Wünsche puzzeln die Koordinatoren zu einem Programm zusammen, das den Kulturgenuss nach Zufallsprinzip möglichst einfach machen soll. Noch nie war das so kompliziert wie in diesem Jahr, sagt Katja Scheer. „Einige Konzerte laufen parallel, weil wir auch immer mehr Publikum bekommen“, erklärt sie. „Wir wollen natürlich nicht, dass ein Wohnzimmer oder ein Tattoo-Laden völlig überlaufen wird.“

Der Eintritt bleibt frei – die Kosten aber steigen

Leute in Kontakt bringen, Absprachen treffen, Veranstaltungsorte finden – darin sind Katja Scheer, Arne Theophil, Timo Gorf, Valentina Siemsen und Julia Jesella vom 48h-Team bereits erprobt und bewandert. Die größte Herausforderung ist, das Festival im bezahlbaren Rahmen zu halten, sagt Katja Scheer. 100.000 Euro koste es, das diesjährige Festival auszurichten. Technik, Aufwandsentschädigungen, Marketing, Projektmanagement, Gema, Genehmigungen, Versicherungen – „da kommt kleinteilig sehr viel zusammen“, sagt die Koordinatorin. „Aber ohne all das könnte 48h Wilhelmsburg nicht funktionieren.“ Eintritt zu verlangen oder Getränkebuden und Verkaufsstände zuzulassen ist für sie keine Option. Schließlich sollen auch die umliegenden Kioske, Bars und lokale Geschäfte davon profitieren, dass vor ihrer Tür gefeiert wird. Genau das sei der Charme von 48h Wilhelmsburg, sagt Katja Scheer. Das Festival soll ein Gemeinschaftswerk bleiben.

Auch bei den Kosten bekommt das Projekt Hilfe: Der Bezirk Hamburg-Mitte gibt jedes Jahr Geld dazu, diesmal sind es ingesamt 10.000 Euro. Die Kulturbehörde ist dieses Jahr mit 12.000 Euro dabei. Auch aus dem Verfügungsfonds der Beiräte im Stadtteil fließt Geld in die Festivalkasse. Zudem gehen die Macherinnen und Macher jedes Jahr auf Sponsorensuche. Ein festes Budget, auf das das Team bauen kann, gibt es nicht – auch Zuwendungen von der Stadt gibt es nicht ohne Antrag. „Wir müssen jedes Mal wieder von Null anfangen“, sagt Katja Scheer. Das koste eine Menge Zeit und Energie. „Wir kommen da schon an unsere Grenzen.“

Das Team hofft deshalb auf Nachbarschaftshilfe in klingender Münze. Auch mit kleinem Geldbeutel soll es möglich sein, 48h Wilhelmsburg eine Zukunft zu sichern, sagt Katja Scheer. Ab 3 Euro Spende pro Stück bringt das 48h-Team Bändchen in Umlauf, mit denen Fans ihre Solidarität zum Festival sichtbar machen können. Wer beim Helfen nicht allein sein will, kann auch ein Kontingent Bändchen gegen Spende am Bürgerhaus abholen und im Freundeskreis weitergeben, meint Katja Scheer. „Es wäre einfach toll, wenn an dem Wochenende ganz viele Leute mit diesem Bändchen herumlaufen“, sagt sie. Für besonders treue Fans gibt es den Freundeskreis von 48h Wilhelmsburg: Privatleute, Gruppen oder Firmen können als Freunde das Festival mit einer monatlichen Spende ab 3 Euro unterstützen.

Es gibt viel zu entdecken

Was sie davon haben, werden die Menschen in Wilhelmsburg und auf der Veddel vom 13. Juni an wieder erleben können. „Es ist ein sehr großes Programm – das Publikum wird Mühe haben, sich zu entscheiden“, sagt Katja Scheer. Allein die Ausmaße des Festivalgeländes – von der Veddel über Georgswerder, das Reiherstiegviertel, Kirchdorf und Kirchdorf-Süd bis zur Bunthäuser Spitze – machen es unmöglich, alles zu sehen. Dafür gibt es in diesem Jahr einen neuen Einfall: Touren mit Musikbegleitung. Auf der Veddel werden Dudelsackspieler durch die Nachbarschaft führen, in Georgswerder können Gäste mit einer Pferdekutsche von Konzert zu Konzert fahren, die Gruppe Yavuz Kadeşler will zu den Klängen türkischer Volksmusik durch Kirchdorf-Süd ziehen. „Wir machen uns viele Gedanken, dass auch die verschiedenen Quartiere der Elbinseln gut dargestellt werden“, sagt Katja Scheer. Um nicht ein Wochenende lang im selben Block hängenzubleiben, empfiehlt sie, gleich fernab der eigenen Haustür zu starten. „Es ist nicht nur eine Musikveranstaltung, sondern vor allem auch eine Gelegenheit, den Stadtteil und die Leute kennenzulernen“, sagt die Koordinatorin. „Wir möchten, dass sich die Menschen anders begegnen als sonst im Alltag.“

von Annabel Trautwein

 

Preisverdächtig: Gute Kulturprojekte aus der Nachbarschaft

Der Hamburger Stadtteilkulturpreis wird jedes Jahr verliehen von der Kulturbehörde, der hamburgischen Kulturstiftung, der Gabriele Fink Stiftung, der Alfred Toepfer Stiftung, der Patriotischen Gesellschaft und dem Verband Stadtkultur Hamburg. Er zeichnet Projekte aus, die Teilhabe, gemeinschaftliches Engagement und interkulturellen Austausch fördern. Der Hamburger Stadtteilkulturpreis ist mit 10.000 Euro dotiert. Daneben gibt es den Ideenpreis Stadtteilkultur, der sich an entstehende Projekte richtet und diese mit 3.000 Euro unterstützt. Mehr Infos gibt es hier.

 

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Kommentare

Eine Antwort zu „48h Wilhelmsburg erhält Stadtteilkulturpreis“

  1. Avatar von Hans-Werner Kienitz

    War bei der Preisverleihung. Gratulation! Starke Präsentation! Verdiente Preisträger! Bin echt begeistert gewesen … und komme dieses Jahr ganz sicher zu 48h Wilhelmsburg!
    Herzliche Grüße vom K.N.i.E. – Kultur & Nachbarschaft in Eimsbüttel e.V.
    Hans-Werner Kienitz, 1. Vorsitzender

     

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