Kommentar: Der Zaun ist nicht das Problem

von Annabel Trautwein, Redaktion WilhelmsburgOnline.de

Schön ist das sicher nicht für Andy Grote: Da stellen ihm Hamburgs Stadtvermarkter einen 100 Hektar großen Park in den Bezirk, ausstaffiert mit allem, was das Touristenherz hätte begehren sollen – und jetzt soll er sich um den Rest kümmern. Gleichzeitig wird ihm das Budget gekürzt. Klar, dass sich das Bezirksamt vor weiteren Kosten schützen will.

Dass ihm dazu nichts besseres einfällt als ein Zaun, ist ein schlechtes Zeichen und ein großes Ärgernis für die Menschen in Wilhelmsburg. Die neuen Pläne des Bezirks, den halben Park von Mitternacht bis morgens um fünf zu verriegeln, mögen für die meisten erträglicher sein als das, was vor den Protesten auf der Insel geplant war. Doch Öffnungszeiten und Zaunverlauf sind nicht der Knackpunkt des Problems. Der Knackpunkt ist das Argument, auf dem der Bezirk beharrt: Dieser Inselpark sei zu wertvoll, um ihn der Stadtbevölkerung uneingeschränkt anzuvertrauen.

Egal ob wir den Park tagsüber, nachts oder gar nicht nutzen wollen – dieses Argument können wir nicht stehen lassen. Denn wenn wir das tun, erkennen wir an, dass diese Stadt nicht für uns gedacht ist. Hamburg, die Stadt der Leuchttürme, wird bald das nächste Großevent auffahren. Für Weltruhm und die Gunst der Touristen scheint nichts zu teuer. Selbst die derzeit 789 Millionen Steuergeld für die Elbphilharmonie sollen vergessen sein, sobald dort der erste Ton erklingt. Es gibt keinen Anlass zu hoffen, dass dieser Gigantismus nachlässt.

Auf wessen Seite stehen die Bezirkspolitiker?

2013 war Wilhelmsburg der Hotspot der Hamburger Großevents. Dass die Öffentlichkeit in diesem „Ausnahmezustand auf Zeit“ nicht dieselben Rechte haben sollte wie sonst, dass Demonstrationen verboten und öffentliche Parks mit Zäunen und Kassenhäuschen versehen wurden, sollten wir hinnehmen. Es sei ja nur vorübergehend. Doch mit Teilen des Zauns bleibt auch das Argument stehen, das uns ausschließt.

„Es hilft nichts, jetzt mit dem Finger auf die igs zu zeigen“, sagte Andy Grote im Regionalausschuss. Stimmt. Das hätte der Bezirk vorher machen sollen, als sich das Dilemma abzuzeichnen begann, das wir nun ausbaden sollen. Es hätte Mut und Kraft gekostet, denn der Senat hat natürlich mehr Macht als der Bezirk. Und jetzt? Jetzt hören wir von den mächtigsten Bezirkspolitikern genau das, was uns den Ärger beschert hat: Wir sollen zurückstecken, wenn es um die Zierde Hamburgs geht.

Die Politikerinnen und Politiker in Hamburg-Mitte haben den Auftrag, sich um die Menschen im Bezirk zu kümmern. Den Auftrag bekommen sie von uns, bei jeder Wahl. Sie wollen ihn auch bei der Bezirkswahl am 25. Mai wieder bekommen. Doch dann sollten sie uns überzeugen, dass sie bereit sind, für uns den Rücken gerade zu machen – bevor uns das nächste Großevent heimsucht.

 

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Kommentare

3 Antworten zu „Kommentar: Der Zaun ist nicht das Problem“

  1. Avatar von tingel
    tingel

    danke, annabel. – genau so!

  2. Avatar von Jens
    Jens

    Die Bezirkspolitiker der SPD reden vor der Wahl nach dem Mund der Bürger/innen. Nach der Wahl ist dann wieder Gedächtnisschwund angesagt. Zur Lebenqualität auf der Elbinsel steuern die SPD jetzt 2 neue Autobahnen bei. Mit all dem Feinstaub und den Stickoxiden, welche speziell die Kinder und Senioren krank machen. Nicht sichtbare Teilchen setzen sich in der Lunge ab,,,,

    Niemals mehr die SPD wählen, außer Anke Kewitz die hat wenigsten Mut und Verstand. Sie steht für die Bewohner der Elbinsel ein.

     

  3. Avatar von Andreas Grünwald
    Andreas Grünwald

    Dieser Zaun steht symbolisch für das "neue" Wilhelmsburg, was auch Gentrifizierungsprozesse einschließt, die sich gerade auch an diesem Zaun verdeutlichen lassen. Schon deshalb muss der Zaun ersatzlos und vollständig weg. Weg bekommt man ihn jetzt aber nur noch, wenn es eine Radikalisierung in den Aktionen gäbe. Nach den Wahlen, damit kein Zusammenhang besteht. Da müssten sich z.B. ein paar reputierliche Personen verabreden: ein paar Abgeordnete vielleicht, ein paar bekannte Wilhelmsburger Initiativler vielleicht, ein paar Vorsitzende von Wilhelmsburger Vereinen vielleicht. Alle ausgerüstet mit entsprechenden Werkzeug. Diese Aktion dürfte nicht öffentlich angekündigt sein, aber müsste gefilmt werden. Das Ergebnis wäre ein Loch im Zaum an einer Stelle wo das gut möglich ist. Am nächsten Tag dazu eine Pressemitteilung und der Film zur Dokumentation in der Anlage. Das ganze in dem Tenor: das ist unser Stadtteil, wo wir uns weder ein- noch ausschließen lassen, egal wer das beschließt. Das gäbe ein starkes Echo in den Medien – und die Diskussion wäre wieder eröffnet, ganz egal was da in der Bezirksversammlung beschlossen wurde. Die Teilnehmenden würden natürlich eine Strafe erhalten. Die Kosten müssten von Wilhelmsburger Zusammenhängen getragen werden. Und bevor sich die Aufregung legt, wiederholt sich so was an anderer Stelle durch andere "reputierliche" Persönlichkeiten. Nun würde die Debatte erneut voll entfachen und nun auch Menschen erreichen, die davon bisher gar nichts mitbekommen haben. Alles weitere müsste man gar nicht mehr steuern, denn es würden sich genügend Folgeaktivitäten von ganz allein ergeben. Dann wäre die Frage wieder offen, vollkommen egal was jetzt in der Bezirksversammlung oder im Bezirksamt beschlossen worden ist. Das würde dann keine Rolle mehr spielen. Aber anders bekommt man/frau diesen Zaun jetzt nicht mehr weg. Und mit Planten un Blomen hat das Ganze gar nichts zu tun, weil das ein Park in einem völlig anderen Kontext, mit einer ganz anderen Entstehungsgeschichte ist, liegend in einem Gebiet wo keiner wohnt und es auch keine Kleingärten gibt. In Wilhelmsburg wird damit aber ausgeschlossen. Tatsächlich und vor allem symbolisch und nach dem beleidigenden Motto: ein Großteil der Wilhelmsburger, wahrscheinlich die mit wenig Geld, mit wenig Status, die das schöne neue gar nicht abschätzen können und wollen in seinem Wert, bestehe aus potentiellen Vandalisten. Diese Beleidigung besteht so lange, wie dieser Zaun dort steht. Und schon deshalb muss er weg.
    Ein Wilhelmsburger, der auf der Insel seit 55 Jahren lebt.

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