Zu Klezmermusik die Geschichte der Wilhelmsburger Juden erkunden – das haben sich die Geschichtswerkstatt und die Musikgruppe „Massel Klezmorim“ für das Musikfestival 48h Wilhelmsburg vorgenommen. Die Route markieren die Stolpersteine, die im Reiherstiegviertel an deportierte Nachbarinnen und Nachbarn erinnern. Nun sollen die winzigen Mahnmale für das Fest geputzt werden. Alle sind aufgefordert, ihnen zu neuem Glanz zu verhelfen.
Drei Fragezeichen – das ist der letzte Eintrag auf Wolf und Fanny Borowers Stolperstein am Vogelhüttendeich, ihrer letzten Wohnstätte. Wolf Borower war 71 Jahre alt, als die Nazis ihn holten. Fanny, eine geborene Schwarz, war sechs Jahre jünger. 1941 wurden beide nach Riga deportiert. Danach verliert sich die Spur. Wie das Schicksal des Wilhelmsburger Ehepaars endete, können sich die heutigen Nachbarn allenfalls vorstellen.
Die Borowers sind kein Einzelfall. Acht Stolpersteine markieren im Reiherstiegviertel die Orte, an denen die Nazis jüdische und politisch andersdenkende Nachbarinnen und Nachbarn aus ihren Häusern holten und sie in den Tod schickten. Die Geschichtswerkstatt und die Musiker von „Massel Klezmorim“ wollen nun bei einem Rundgang unter dem Motto „Hier wäre ich zu Hause gewesen“ ihr Schicksal ins Gedächtnis rufen. Anhand von Fotos, Erinnerungen und alten Dokumenten wollen Margret Markert und Torsten Kiehne an das Leben der Wilhelmsburgerinnen und Wilhelmsburger erinnern, die ihr Zuhause nie wiedersahen. Lutz Cassel und die „Massel Klezmorim“ spielen dazu Lieder aus verschiedenen Traditionen der jüdischen Musikgeschichte.
Denkmalpflege selbst machen
Für ein würdiges Gedenken der früheren Nachbarn sollen die Stolpersteine vor den Haustüren herausgeputzt werden. „Noch sind viele der Stolpersteine fast nicht zu sehen, so viel Patina haben sie im Lauf des Jahres angesetzt“, teilt die Geschichtswerkstatt mit. Die Historiker hoffen deshalb auf Hilfe aus der Nachbarschaft. Alle sind aufgefordert, die kleinen Mahnmale mit Tüchern oder Stoffresten und Messingputzmittel zum Schimmern zu bringen. Einen festen Termin gibt es dafür nicht. Wer mitmachen will, kann jederzeit aktiv werden. Hier sind die letzten Wohnorte der Wilhelmsburger Holocaust-Opfer zu finden:
- Ilenbrook 14 – (Bruno Schulz)
- Vogelhüttendeich 40 – (Familie Laser/ Cohn)
- Vogelhüttendeich 34 – (Ehepaar Borower)
- Karl-Kunert-Straße – (Familie Libis/ Eggers)
- Ernastraße (Asphaltkehre) – (Martin Furmanek)
- Mannesallee 31 – (Ehepaar Bartfeld)
- Veringstraße 47 – (Ehepaar Guttmann)
- Mannesallee 20 – (Hans Leipelt, Katharina Leipelt, Hermine Baron)
Der Rundgang zu 48h Wilhelmsburg beginnt am Sonntag, 15. Juni, um 13 Uhr auf dem Stübenplatz. Weitere Infos gibt es bei der Geschichtswerkstatt in der Honigfabrik (Industriestraße 125-131), im Internet unter www.geschichtswerkstatt-wilhelmsburg.de oder per Mail an Margret Markert. Die Adresse ist markertm@honigfabrik.de
Text von Annabel Trautwein
Foto von Margret Markert
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