Ein neues, riesiges Kunstwerk ist an der Hafenrandstraße zu bestaunen: Ein Gesicht hinter einer Brille aus Werbeplakaten, in den Haaren tummeln sich bunte Fantasietiere. Gemalt haben es Schülerinnen und Schüler von der Elbinsel. Die Klasse 9b der Stadtteilschule Wilhelmsburg tat sich mit den Künstlern Hanna Lena Hase und Kai Teschner zusammen, um die ganze Hauswand zu bemalen. Am Montagabend präsentierten sie ihr Werk bei einem Empfang auf dem Deich am Ende der Fährstraße.
Ein Reiher mit geheimnisvollen Schriftzeichen im Schnabel, ein roter Tiger und ein Fantasiewesen aus Haarsträhnen, Schlingpflanzen und bunten Mustern – all das scheint aus dem Kopf herauszuwachsen, der nun an der Hauswand am Ende der Fährstraße zu sehen ist. Das wilde Getümmel soll ein Symbol sein für Freiheit und Ideenreichtum, erklärt die Künstlerin Hanna Lena Hase. Die Augen des riesigen Gesichts dagegen sind nicht zu sehen: Zwei große Werbeplakate an der Hauswand verdecken sie. Mit einem Steg in der Mitte und zwei Bügeln an den Seiten wurde eine Brille daraus – jetzt ist die Werbung teil des Kunstwerks. Die Botschaft: Auch wenn Werbung und Kommerz den Blick verstellt, sind die Gedanken und Ideen immer noch frei.
„Stellen Sie sich mal vor, Sie fahren hier vorbei und haben schlechte Laune“, sagt Fatik-Nur Yildiz aus der 9b. „Die schlechte Laune geht dann einfach weg.“ So sehen es auch ihre Klassenkameradinnen. Bunte Farben und Tiere mögen schließlich alle, sagen sie. Auch das erste Kunstwerk, das die Klasse im Sommer 2013 mit den beiden Künstlern gemalt hat, verbreitet gute Stimmung: „Keep calm and carry on“ – also „Locker bleiben und weitermachen“ – steht auf einem Spruchband. Zwei Jungs und zwei Mädchen halten es in den Händen, während ein großer Ballon in Form der Weltkugel sie in die Luft hebt. Die Schüler sind stolz auf ihre Werke. „Obwohl es nur zwei sind, sind wir schon groß raus gekommen“, ruft Fatik-Nur durchs Megafon, als die Künstler ihre Arbeit präsentieren.
Locker bleiben war auch bei der Wandmalerei an der Fährstraße 115 das höchste Gebot: 18 Meter hoch mussten die Schülerinnen und Schüler klettern, um vom Baugerüst aus an die oberste Hausecke zu gelangen. „Es hat auch manchmal gewackelt, wenn Lastwagen vorbeigefahren sind“, erzählt Öznur Findik. Angst hätten sie aber nur beim ersten Mal gehabt. „Als das Wandbild entstanden ist, ist unsere Klassengemeinschaft noch stärker geworden“, sagt Öznur.
Nicht nur untereinander mussten die Künstlerinnen und Künstlerin gut zusammenarbeiten. Denn bei der Entscheidung, was auf die Hauswand drauf soll, durften viele mitreden. Die Vorschläge kamen von Hanna Lena Hase und Kai Teschner, den beiden Profis. Die Schülerinnen und Schüler ergänzten die Entwürfe mit ihren eigenen Ideen. Dann mussten sie zum einen die Bewohner der Hausgemeinschaft überzeugen, die hinter der bemalten Wand leben. Und auch der Besitzer des Hauses hatte ein Wörtchen mitzureden. Dass sein Haus überhaupt angemalt werden sollte, fand Konrad Grevenkamp von Anfang an gut. „An so eine Fassade gehört einfach ein Wandbild“, sagt er beim Empfang am Deich. Deshalb habe er bei Hanna Lena Hase nachgefragt, die schon in einem anderen Gebäude in der Fährstraße das Treppenhaus bemalt hatte. „Es ist schon mein Ziel, die Stadt ein bisschen bunter zu machen“, sagt Konrad Grevenkamp.
Kostenlos war die ganze Aktion nicht – schließlich mussten die Künstler Farbe, Pinsel und anderes Arbeitsmaterial bezahlen. Auch die Arbeitsstunden kosteten Geld. Für beide Wandbilder – das an der Stadtteilschule Wilhelmsburg und das neue an der Fährstraße – blätterten sie insgesamt 10.000 Euro hin, sagt Kai Teschner. Das Baugerüst an der Hauswand sponserte der Besitzer Konrad Grevenkamp, weiteres Geld kam aus der Kasse, das der Stadtteilbeirat Wilhelmsburg vergeben kann, sowie von der Wohnungsgesellschaft SAGA GWG. Und auch die Stadtteilschule Wilhelmsburg gab ihren Anteil dazu, um die Kunstaktion ihrer 9b möglich zu machen.
von Annabel Trautwein
[tweetbutton]
Schreibe einen Kommentar