Lüttville: Bereit für den großen Auftritt

Ein satter Beat rollt durch den Raum, sieben junge Rapper nicken im Takt mit den Köpfen. Hört sich gut an. Nur den neuen Sound, den Workshopleiter Daniell Berding eingebaut hat, finden manche doof. „Dieses Tschik-Tschik soll weg, dann ist es perfekt“, meint Kevin. Burcu sieht das anders: „Wieso, kann man doch voll gut zu tanzen“, sagt sie und wippt mit den Schultern. Daniell findet, der Sound der afghanischen Rubab gut in die Gruppe. Vishal und Sunny finden das auch. Doch für lange Debatten ist heute keine Zeit. Am Samstag steht der erste Auftritt an, wenn das Lüttville-Festival am Reiherstieg sein Abschlussfest feiert. Und wenn die Bad Beat Boys auch die Bühne beim MS Dockville erobern wollen, muss schon der erste Gig richtig fett werden.

Seit einer Woche sind die Lüttville-Künstler in Aktion. Manche rappen, andere tanzen, einige bauen Baumhäuser oder Labyrinthe, wieder andere drehen Filme, machen Radiosendungen oder proben als Artisten für den Zirkus. Jeder Tag beginnt mit einem großen Treffen unter freiem Himmel. Hier tauschen die Künstler das Neueste aus: Der Mal-Workshop plant Kunstwerk mit Handabdrücken und sucht noch Leute, die sich die Hände einpinseln lassen. Die Radiogruppe ist wie immer mit Mikro und Aufnahmegerät angerückt und nimmt einen neuen Schlachtruf auf: „Uuuuuund – Lüttville!“ Die Sendung ist diesmal nicht nur für die Festivalgemeinschaft gedacht, sondern für alle in Hamburg. Über einen Beitrag der Radiogruppe beim Sender Tide sollen sie erfahren, was auf dem Festivalgelände in Wilhelmsburg los ist.

Bei den Bad Beat Boys steht heute Texten und Reime schmieden auf dem Plan. Wie viele Strophen soll es geben? Wer rappt was? „Den Refrain haben wir ja schon, das ist richtig viel Wert“, sagt Daniell Berding. Aber bei einigen Strophen holpert es noch. „Unsere Beats präsentieren wir euch jetzt im Chor“ – was stimmt da nicht? „Beats sind Beats, die kann man doch nicht im Chor präsentieren“, ruft Nelson. Das Lob von Daniell gibt er schnell weiter. „Hat er gesagt“, fügt er mit einem Kopfnicken Richtung Kevin hinzu. Dann die nächste Strophe: „Deutschland schießt gegen Argentinien das Siegestor“. Die ist viel zu lang, merkt Dennis, als er den Text probeweise ins Mikrofon rappt. Bis zum Auftritt ist noch viel zu tun. Schließlich wollen die Bad Beat Boys nicht nur am Samstag alle Hände in der Luft sehen – auch beim Musikfestival MS Dockville wollen sie groß rauskommen, vor tausenden von Leuten.

„Wenn wir uns noch richtig anstrengen, dann klappt das“, sagt Nelson. Einen Trick gegen Nervenflattern vor dem großen Moment hat sich der Achtjährige schon überlegt. „Ich stelle mir die Leute einfach nackt vor“, erklärt er. Der zehnjährige Dennis ist noch nicht ganz sicher, ob sie es auf die Dockville-Bühne schaffen werden. „Ich bin jetzt schon ganz aufgeregt“, sagt er. Beide sind zum ersten Mal beim Lüttville dabei, auch die anderen Rapper kannten sie vorher nicht. Inzwischen sind sie ein Team. „Ich habe mich gefreut, dass es hier die Möglichkeit gibt, mit anderen zusammen zu rappen“, sagt Nelson. Vorher hat er nur für sich allein gereimt, genauso wie Dennis. „Ich liebe Musik“, sagt der Zehnjährige. „Das ist meine Leidenschaft.“

Wird es klappen mit dem großen Auftritt beim Dockville? Auch Tänzerin Ani fiebert darauf hin. Das Gefühl, vor großem Publikum mit Stars auf der Bühne zu stehen, hat sie schon einmal erlebt: 2012 trat die Lüttville-Tanzgruppe von Choreograf Tobias Galke gemeinsam mit der Band Tocotronic auf, und Ani war dabei. „Es war unbeschreiblich“, sagt sie. „Wir haben direkt hinter der Band getanzt, und alle haben mitgemacht.“ Das will Ani dieses Jahr wieder erleben. Die Tänzer sind bereit, sagt ihr Kursleiter – jetzt müssen sie nur noch die Band OK Kid davon überzeugen, was sie drauf haben. Für ihren Song „Stadt ohne Meer“ haben sie die Choreografie gemacht und das ganze gefilmt, damit sich die Band selbst ein Bild machen kann. Ani drückt die Daumen, dass die Zusage noch kommt. Sollte es nicht klappen, wäre das Lüttville für sie trotzdem ein voller Erfolg, sagt sie: „Mir gefällt die Gemeinschaft hier. Alle sind nett, alle helfen einander.“

von Annabel Trautwein

 

Lüttville-Künstler laden ein

Am Samstag von 15 bis 18 Uhr wollen die Lüttville-Künstler ihre Werke präsentieren: Zirkusshows und Tanzauftritte, Capoeira-Kampfkunst, Rap, Theater, Kunst. Das Fest steigt am Ufer des Reiherstiegs gegenüber vom Rethe-Speicher auf dem Gelände des MS Dockville (Alte Schleuse 23). Alle aus Wilhelmsburg und Umgebung sind eingeladen, der Eintritt ist frei.

 

 

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