Am Rande der Elbinsel wird geforscht und experimentiert: Das Scienceville-Festival hat begonnen. Bis Sonntagabend treffen sich interessierte Leute am Reiherstiegknie, um sich über Kunst und Wissenschaft auszutauschen. Im Fokus steht dabei das Nicht-Wissen und Nicht-Verstehen: „Ignorance is Bliss“ („Nichtwissen ist ein Segen“) lautet das Motto des ersten Scienceville. Was es damit auf sich hat, erläutert die wissenschaftliche Leiterin Ebba Durstewitz im Interview mit WilhelmsburgOnline.de.
Das Scienceville möchte Kunst und Wissenschaft zusammenbringen. Wenn ich nicht studiert habe und auch kein Künstler bin – lohnt sich der Besuch dann überhaupt?
Ja, auf jeden Fall. Jeder hat ja eine Vorstellung von Kunst und Wissenschaft. Die ist nicht unbedingt richtig – und die könnte man dann hier revidieren. Wir sehen uns als eine Art Versuchslabor, wo wir ausprobieren wollen, wie sich zum Beispiel Wissenschaft über Kunst vermitteln lässt. Interesse sollten die Leute natürlich schon mitbringen, sonst haben sie nichts davon. Aber ich glaube, was Kenntnisse und Kompetenz betrifft, hätten wir dem Publikum sogar noch mehr zutrauen können.
Das Thema des Festivals ist „Ignorance is Bliss“. Wieso widmet sich denn ein Wissenschafts-Festival dem Nichtwissen?
Das ist erst einmal ein Stolperstein, das stimmt. Wir wollen aber kein fundamentalistisches Gedankengut verbreiten und fordern auch nicht die Abschaffung der Schulpflicht. Uns geht es darum, aktuelle Themen aus der Wissenschaft herauszuholen und die Begriffe „Nichtwissen“ und „Nichtverstehen“ in Debatten zu etablieren. Mit „Ignorance“ meinen wir Agnotologie, „die Lehre vom Nichtwissen“. Das ist ein wissenschaftliches Fach, das vor allem Soziologen, Philosophen, aber auch Neurobiologen interessiert. Unter Nichtwissen fällt aber auch Geheimhaltung, gezielte Falschinformation, Verschleierung – zum Beispiel beim Thema NSA oder Zensur.
Was ist segensreich daran, nicht Bescheid zu wissen?
Der Titel soll schon provozieren. Ich habe tatsächlich auch Absagen von Wissenschaftlern bekommen, die gesagt haben: „Wenn ich an einer Veranstaltung mit so einem Titel teilnehme, ist mein Ruf dahin.“ Es geht aber nicht nur um Provokation. Wir fragen auch: Wo könnte diese Aussage „Ignorance is Bliss“ stimmen? Das ist in kreativen Prozessen der Fall. Wenn wir als Künstler oder Wissenschaftler etwas neues entstehen lassen, müssen wir immer wieder damit klarkommen, dass wir erst einmal nicht wissen, was richtig ist und was nicht und wie es weitergehen soll. An diesen Punkten werden wir gezwungen, weiterzumachen, und davon leben Wissenschaft und Kunst. Solche Situationen erleben wir aber auch alle im Alltag.
Was können wir lernen auf dem Scienceville?
Fragen stellen. Fragen sind wichtiger als Antworten.
Der Eintritt ist frei – richtig?
Ja. Aber nicht umsonst.
Das Interview führte Annabel Trautwein
Infos auf einen Blick:
- Wann: 11. bis 13. Juli
- Wo: Reiherstiegknie / Dockville-Gelände (Alte Schleuse 23)
- Eintritt: frei
- Programm: http://www.scienceville.de/programm/
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