Wer hat noch Kleider oder Spielzeug im Keller? Wer kann Arabisch, Französisch, Bosnisch übersetzen? Wer hat ein bisschen Zeit zum Vorlesen übrig? Die Ankunft von Flüchtlingen in Kirchdorf-Süd hat in Wilhelmsburg eine Welle der Solidarität ausgelöst: Hunderte Menschen aus dem Stadtteil organisieren Hilfe für die geflüchteten Familien am Karl-Arnold-Ring. Für die städtischen Helfer von Fördern und Wohnen ist die Unterstützung aus der Nachbarschaft ein Segen – und zugleich eine organisatorische Mammutaufgabe. WilhelmsburgOnline.de erläutert, wie die Hilfe am besten wirkt.
Bei Fördern und Wohnen klingelt pausenlos das Telefon, die Mailbox der Kontaktfrau für Flüchtlingsfragen ist bereits überfüllt, eine Nachricht nach der anderen trifft ein: Die Solidarität der Menschen in Wilhelmsburg und anderen Teilen der Stadt wird für die städtische Hilfsanstalt zur Herausforderung. „Wir freuen uns über jede Hilfe“, sagt eine Mitarbeiterin im Telefonat mit WilhelmsburgOnline.de. „Aber wir können nicht alles sofort umsetzen. Das schaffen wir einfach nicht.“ Noch sind einige im Urlaub – dass gerade jetzt alle Kräfte gebraucht werden, um das Notprogramm für Flüchtlinge in Hamburg umzusetzen, hat vorher niemand geahnt. „Die Mitarbeiter sind selbst genauso überrascht worden und geben jetzt ihr Bestes“, sagt auch Kesbana Klein. Seit etwa einer Woche ist die Lokalpolitikerin in ihrer Nachbarschaft unterwegs und spricht mit Anwohnern und Neuankömmlingen. Wer braucht was? Wer kann wie helfen? Und wie kann Kirchdorf-Süd die geflüchteten Menschen am besten Willkommen heißen? „Wir haben eine ganz positive Stimmung“, sagt Kesbana Klein. „Es gibt vor Ort viele, die von sich aus Hilfe anbieten.“ Nun komme es darauf an, die vielen Angebote gut auf den Bedarf abzustimmen.
Flucht vor Gewalt in den Heimatländern
Was brauchen die Menschen im alten Schulgebäude am Karl-Arnold-Ring? Zunächst einmal Ruhe, sagen die Helfer. Mehr als 120 Personen sind inzwischen angekommen, nach einer langen Flucht vor Krieg und Verfolgung in ihren Heimatländern. Sie stammen aus Syrien, Palästina, Irak, Iran, aus afrikanischen Ländern oder vom Balkan. Die meisten sind mit Kindern unterwegs: Mehrere Babys sind dabei, Dutzende Kleinkinder, Schulkinder und Jugendliche. Wie Helfer von der Insel berichten, leben sie in der alten Schule auf engem Raum zusammen: 15 Personen teilen sich ein Zimmer. Viele von ihnen sind von Krieg und Flucht traumatisiert und brauchen ärztliche Hilfe. In Wilhelmsburg sollen sie zur Ruhe kommen und neue Hoffnung schöpfen.
Die Sicherheitskräfte am Schultor bitten deshalb um Verständnis: Bei aller Freude über die Hilfsbereitschaft der Nachbarn ist Besuch in der Flüchtlingsunterkunft vorerst nicht erwünscht. Hochwillkommen ist die Solidarität jedoch bei Gruppen von der Insel, die sich spontan zusammengetan haben, um konkrete Hilfe zu organisieren. Eine davon ist die Facebook-Gruppe „Die Insel spendet“: Einen Tag nachdem die ersten Familien in der Notunterkunft ankamen, riefen Ipek Baran aus Kirchdorf-Süd und Wolfgang Schröder aus dem Reiherstiegviertel sie ins Leben. Heute zählt die Gruppe schon fast 160 Mitglieder, die ihre Hilfe anbieten: Sie stöbern in Kleiderschränken, Dachböden und Abstellkammern nach Kleidern und Schuhen, kramen Kinderspielzeug hervor, bieten ihre Hilfe als Deutschlehrer oder Dolmetscher an oder stellen Transportwagen und Lagerräume zur Verfügung. Dabei arbeiten die Aktiven mit Fördern und Wohnen zusammen. Bei gemeinsamen Treffen mit Gruppen aus dem Stadtteil sollen Hilfe und Bedarf abgestimmt werden.
Was fehlt noch am Karl-Arnold-Ring? Kleider, Schuhe, Spielzeug, Fahrräder und Kinderwagen werden nach wie vor dringend gebraucht, gibt Ipek Baran nach einem ersten Helfertreffen bekannt. „Da es eine Erstaufnahmestelle ist, werden immer Leute ausziehen und neue hinzukommen. Das heißt, wir werden in regelmäßigen Abständen Spenden einsammeln müssen“, schreibt sie. Nicht gebraucht werden Möbel, Geschirr oder Kochtöpfe – damit ist die Unterkunft bereits hinreichend ausgestattet. Freiwillige dagegen sind sehr willkommen. Es soll Deutschkurse für die Menschen in der Notunterkunft geben, auch Sport und Freizeitaktivitäten möchten die Helfer anbieten. Zudem hoffen sie auf Menschen, die die Flüchtlinge bei Behördengängen oder Arztbesuchen begleiten, übersetzen oder für einige Stunden auf Kinder aufpassen können. Dazu sind einige Formalitäten notwendig, erklärt Ipek Baran: „Die Personen müssten, wenn es soweit ist, ein polizeiliches Führungszeugnis vorzeigen.“ Beim Kontakt mit Kindern und Jugendlichen müsse diese Vorschrift eingehalten werden.
Wer helfen will – bitte melden!
Damit die Nachbarschaftshilfe da ankommt, wo sie gebraucht wird, wollen die Aktiven von „Die Insel spendet“ die Angebote erst einmal sammeln und bündeln. In der Facebook-Gruppe können sich Helfer per Kommentar melden oder eine Nachricht an Ipek Baran schreiben. Auch die städtischen Fachleute bei Fördern und Wohnen bitten darum, Hilfsangebote zunächst zu melden und dann auf Antwort zu warten. Wer Sachspenden oder Dienstleistungen anbieten kann, wird gebeten, sich über das Kontaktformular auf der Internetseite von Fördern und Wohnen zu melden. „Wir sammeln das und sprechen dann die Leute ganz konkret an“, sagt die Mitarbeiterin.
von Annabel Trautwein
Kontakt zum Helfen:
- Facebook-Gruppe „Die Insel spendet“
- Fördern und Wohnen
- Ihr habt auch eine Initiative gestartet? Meldet euch – dann verlinken wir eure Gruppe hier!
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