Zwanzig blau-weiß-gestreifte Hemden flattern im kalten Wind, zwanzig rote Halstücher werden zurecht gerückt – vor der Seemannsmission Duckdalben sieht es aus, als wäre die Zeit zurück gedreht worden und die Besatzung eines Schoners hätte gerade Hamburger Boden betreten. Doch weit gefehlt: Es ist der Wilhelmsburger Männerchor, der von der Insel in die Seemannsmission kommt. “Wir wollten als Männerchor um die Weihnachtszeit herum eine karitative Einrichtung unterstützen”, erklärt Werner Meltzian, Vorsitzender und aktiver zweiter Bass des Chores. Die Verabschiedung des langjährigen Mitarbeiters Heinrich Walter Brokmeier ist Anlass für den Auftritt.
Die Seemannsmission Duckdalben ist im tiefsten Hafengebiet eingebettet zwischen den Gleisen der Güterbahn und den hoch aufragenden Türmen von Eurogate. Ein niedriges, freundliches Gebäude, wie aus einer anderen Welt zwischen den riesigen grauen Anlagen, die für die Schiffe und die Güter geschaffen wurden. In der Seemannsmission geht es dagegen um die Menschen im Hafen, und das sieht man in jedem Detail. Wer eintritt, steht im warmen Licht der großen Eingangslobby, deren Wände von oben bis unten mit Andenken an ferne Länder geschmückt sind. Überall schwirren Seeleute herum, telefonieren nach Hause, trinken einen Kaffee oder unterhalten sich. Links geht es zum Tresen der gemütlichen kleinen Bar, rechts findet sich ein Aufenthaltsraum mit Kicker und Billard. Immer zwischendrin die vielen Helfer und Mitarbeiter der Seemannsmission – von der rauhbeinigen, sympathisch zerknitterten Sozialpädagogin bis zum blutjungen, hanseatisch hochgewachsenen Praktikanten ist alles vertreten.
Doch heute geht es um einen Mann, der nach langen Jahren ausscheidet, und dieser soll geehrt werden. Nach einem Festakt mit Musik, Reden und Andacht kommt es endlich zum Auftritt des Männerchores Wilhelmsburg. Shantys und Maritimes gehören zum Grund-Repertoire, aber auch Musicals und Schlager schmettern die Sänger des Chores gerne. Damit haben sie es bis zu einem Auftritt in der Fernsehserie “Rote Rosen” geschafft. Heute ist die Zielgruppe eine andere: Seemänner, die weitab der Heimat in der Seemannmission etwas Wärme und Familiengefühl suchen. Die Sänger legen mit ihren Liedern los, und die Zuhörer gehen mit – von Besinnlichkeit bis Begeisterung sind alle Reaktionen vertreten. Vor allem die Shantys sind der Renner beim Seemannsheim-Publikum. Der Männerchor freut sich über den Zuspruch.
Auf Wunsch gibt's auch Privatkonzerte
“So ein erfolgreicher Auftritt ist immer ein toller Ansporn”, freut sich Werner Meltzian. “Das ist natürlich auch wichtig für den Zusammenhalt im Chor.” Der Chor ist deshalb so oft wie möglich für Auftritte unterwegs, meist in Wilhelmsburg wie bei der offiziellen Eröffnung des Luna-Centers am S-Bahnhof Wilhelmsburg am vergangenen Donnerstag. Eine Nummer kleiner geht aber auch: “Bald treten wir auf der Geburtstagsfeier einer Dame auf, die sich das als Geschenk gewünscht hat. Wir sind für alles offen”, berichtet Werner Meltzian. Die Auftritte könnten außerdem eine erwünschte Nebenwirkung haben: neue Mitglieder gewinnen, die beim Zuschauen selber Lust auf Singen bekommen und Donnerstags zum Proben im Gemeindesaal der Kreuzkirche Kirchdorf kommen wollen.
Denn es gibt immer weniger singende Männer. Das trifft den reinen Männerchor aus Wilhelmsburg besonders hart, gerade in den erkältungsanfälligen Wintermonaten schrumpft die Besetzung, und die Nachwuchssorgen sind groß. Aber deswegen den Männerchor für Frauen öffnen? “Nee”, sagt Werner Meltzian entschieden. “Das ist eine reine Männerrunde, und das soll so bleiben. Die Frauen singen bei den Inseldeerns. Und wir haben seit diesem Jahr unsere Chorleiterin Liliya Mazur , das ist schon revolutionär genug!”
von Sarah Kraaz
[tweetbutton]
Schreibe einen Kommentar