Olaf Scholz bleibt Bürgermeister – ganz im Sinne der meisten Wählerinnen und Wähler auf der Elbinsel. Fast die Hälfte aller Wilhelmsburger Stimmen für die Landesliste ging an die SPD, die hier 48,3 Prozent schaffte. Damit schnitten die Sozialdemokraten in Wilhelmsburg besser ab als im hamburgweiten Vergleich, wo sie laut vorläufigem amtlichen Ergebnis 45,7 Prozent einstrichen. Die absolute Mehrheit für die SPD ist damit dahin – Olaf Scholz braucht Partner, um die Stadt weiter regieren zu können. Als erstes will er die Grünen fragen. Sie schafften bei der Wahl knapp über 12 Prozent und sind damit vorläufig die drittstärkste Kraft in Hamburg, nach der CDU mit 15,9 Prozent. Aus Wilhelmsburger Sicht hätte auch die Linke ihre Daseinsberechtigung im Senat: Sie kam hier deutlich weiter als in der stadtweiten Statistik. Mit 14,8 Prozent schnitt die Linke auf der Insel am zweitbesten ab.
Olaf Scholz und seine SPD triumphieren trotz fast drei Prozentpunkten Verlust, die CDU sackt um sechs Prozentpunkte ab und kassiert das schlechteste Wahlergebnis in Hamburg seit 1946. Überraschend ist die Machtverteilung bei den großen Volksparteien in Hamburg nicht – es sind die Parteien in zweiter und dritter Reihe, die auffallen bei der Wahl der neuen Hamburgischen Bürgerschaft. Sowohl Grüne als auch Linke sind gewachsen und gewinnen Sitze im Plenarsaal dazu: 15 besetzen künftig die Grünen, 11 die Linken. Einen viel beachteten Erfolg legte die FDP mit Spitzenkandidatin Katja Suding hin: Mit 7,4 Prozent sicherten sich die Liberalen locker ihre sieben Sitze im Landesparlament, während sie bei Parlamentswahlen in anderen Bundesländern bisher nur verloren hatten. Neu in der Hamburgischen Bürgerschaft ist nun die AfD: Sie schaffte mit einem vorläufigen Ergebnis von 6,1 Prozent den Sprung ins Parlament und darf nun erstmals in der Landespolitik eines westdeutschen Bundeslandes mitreden.
Gemischte Gefühle für die AfD
Rückenwind erhielt die als rechtspopulistisch verrufene AfD auch aus Wilhelmsburg: Hier entfielen sogar 6,8 Prozent der Stimmen über die gelben Landeslisten auf die Neulinge. Das höchste Ergebnis erzielte die AfD im Wahllokal Nummer 13620 am Stübenhofer Weg, wo sie mit den Stimmen von mindestens 37 Wählern 15,1 Prozent erreichte. Am stärksten glichen das die Menschen aus, die ihre Stimmen am barrierefreien Treffpunkt Elbinsel an der Fährstraße abgaben – hier kam die AfD nicht über über 1,8 Prozent hinaus. Dafür bescherten die Wählerinnen und Wähler dort der Linken einen großen Erfolg: 35,7 Prozent und damit Wahllokal-Siegerin, weit vor der SPD, die im Treffpunkt Elbinsel nur 24,1 Prozent schaffte. Auch im AWO-Seniorentreff an der Rotenhäuser Wettern überflügelte die Linke die Partei von Bürgermeister Olaf Scholz. Am schlechtesten schnitten die Linken an der Hermann-Westphal-Straße mit 3,0 Prozent ab. Hier lag die Wählergunst klar bei der SPD: Fast drei Viertel aller Stimmen, die die Wählerinnen und Wähler in dem Pflegeheim auf die Landesliste verteilten, kamen den Sozialdemokraten zugute.
Die CDU konnte in Wilhelmsburg gar nicht punkten. Ihr höchstes Wahlergebnis erzielten die Christdemokraten wie schon bei Bezirks- und Bundestagswahl in der Remise der Freiwilligen Feuerwehr in Moorwerder. Trotzdem sind die 20,1 Prozent vom Bauernstegel eine Niederlage für die Partei von Scholz' Herausforderer Dietrich Wersich, denn diesmal schaffte sie es selbst hier nicht, die SPD von Platz Eins zu verdrängen. Die Schlappe von wilhelmsburgweit 9,0 Prozent – Platz vier auf der gesamten Insel – brockten vor allem die Wähler in der Fährstraße der CDU ein. Wäre es nach ihnen gegangen, hätte die Union es überhaupt nicht über die Fünf-Prozent-Hürde hinaus in die Bürgerschaft gepackt. An der Zeidlerstraße bescheinigten die Wähler der CDU den Status einer Splitterpartei: 3,0 Prozent. Die Grünen dagegen schlugen sich auf der Elbinsel souverän – mit einem Stimmenspektrum von 20,4 Prozent am Treffpunkt Elbinsel bis 5,1 Prozent an der Prassekstraße. Nur an der Hermann-Westphal-Straße stimmte keiner der 35 Wähler für die Grünen.
Nun nehmen die Grünen Kurs auf das Hamburger Rathaus – kommt die Koalition mit Scholz und den Sozialdemokraten zustande, könnten einige Senatorenposten für sie drin sein. Für etliche Wähler in Wilhelmsburg hätte das gar nicht Not getan: In großen Teilen der Insel erzielte die SPD Stimmenanteile, die locker für eine absolute Mehrheit gereicht hätten. In der Wilhelmsburger Wahlstatistik waren es vor allem die Wählerinnen und Wähler im Reiherstiegviertel, die die SPD nicht allein weiterregieren lassen wollten: Tiefpunkt für die Sozialdemokraten sind die Ergebnisse aus dem Treffpunkt Elbinsel, wo sie nicht einmal ein Viertel aller Stimmen von den gelben Landeslisten ernten konnte.
Nur jeder fünfte Erwachsene in Wilhelmsburg nimmt Einfluss
Einfluss auf die Machtverhältnisse im neuen Landesparlament nahmen jedoch nur wenige Wilhelmsburger: Viele durften nicht mit abstimmen, viele wollten nicht. Nur etwa jeder fünfte erwachsene Mensch in Wilhelmsburg bestimmte letztendlich mit, wer das Land künftig regiert. Zwar waren zum ersten Mal schon 16-Jährige zur Bürgerschaftswahl zugelassen, doch nur dann, wenn sie einen deutschen Pass besitzen. Die rund 33 Prozent Inselbewohner mit ausländischer Staatsangehörigkeit waren bei der Wahl also außen vor. Und die, die wählen durften, nahmen ihr Recht auf Mitbestimmung meist gar nicht erst wahr: Nur ein schmales Drittel aller Wahlberechtigten ging überhaupt zur Wahl. Die höchste Beteiligung verzeichneten die Wahlhelfer in der Windmühle Johanna, wo immerhin 46,3 Prozent der Wahlberechtigten tatsächlich abstimmte. Am niedrigsten fiel die Zahl am Karl-Arnold-Ring im Lokal Nummer 13616 aus – hier traten 21,9 Prozent an die Urnen. Mit einer Wahlbeteiligung von 32,3 Prozent hat die Elbinsel also ihren Anteil an der historisch schlechten Wahlbeteiligung geleistet, die die Statistiker in ganz Hamburg verzeichnen.
von Annabel Trautwein
Wie hat meine Nachbarschaft gestimmt?
Wer wissen möchte, wie die Stimmverteilung im eigenen Wahllokal ausgefallen ist, kann sich auf der Internetseite des Statistikamtes Nord durch die verschiedenen Wahlbezirke klicken.
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