Blaulicht blitzt durch die Abenddämmerung, Sirenen tönen – so hat am Freitagabend ein Feuerwehreinsatz am Schwentnerring begonnen. Dichter Qualm quillt bereits aus dem Blockheizkraftwerk, als die ersten beiden Feuerwehrwagen um die Ecke biegen. Nun muss jeder Handgriff sitzen: Die Leiter raus, ein Mensch hängt benommen aus dem Fenster im Obergeschoss. Die Feuerwehrmänner mit Atemgeräten sind schon unterwegs, klettern zu der panischen Frau hinauf, bugsieren sie über die Leiter auf sicheren Boden. Weiter quillt der Rauch, im Gebäudeinnern irren Lichtkegel von Taschenlampen umher. Sind noch weitere Personen in Not? Sind Gefahrenstoffe ausgetreten? Ein Rettungsteam reicht nicht aus, stellen die Feuerwehrmänner fest und fordern Verstärkung an. Kurz darauf stehen fünf Löschfahrzeuge am Straßenrand – vereinte Kräfte aus allen drei freiwilligen Feuerwehren Wilhelmsburgs üben den Ernstfall.
Echte Gefahr bestand am Blockheizkraftwerk zum Glück nicht. Für die Brandschützer aus Kirchdorf, Moorwerder und dem Reiherstiegviertel war es ein Leistungstest unter verschärften Bedingungen. Bis der Alarm an der Rettungsleitstelle eintraf, wussten die Feuerwehrmänner nur, dass ein Übungseinsatz bevorstehen würde. Wo es vermeintlich brennen würde, erfuhren sie erst, als sie schon so gut wie unterwegs waren – und dass sie es möglicherweise mit Gefahrenstoffen zu tun bekommen würden.
Gerade das mache das Blockheizkraftwerk zu einem guten Testfeld, erläutert Peter Lemanski, Wehrführer der freiwilligen Feuerwehr Kirchdorf, im Gespräch mit WilhelmsburgOnline.de. In dem Kraftwerk am Schwentnerring, dass die Nachbarschaft mit Strom und Wärme versorgt, kommt auch Ammoniak zum Einsatz. Bricht hier Feuer aus, müssen die Retter alle Regeln für den Umgang mit gefährlichen Stoffen auswendig befolgen können. Auch das Orientieren im Blockheizkraftkraftwerk ist keine leichte Übung, denn hier kennen sich die Feuerwehrleute nicht aus – anders als in Wohnhäusern, die oft schon von außen erkennen lassen, wo sich Eingang, Küche oder Wohnzimmer befinden. Für alle Fälle hat das Blockheizkraftwerk einen Notschalter – damit könnten die Feuerwehrleute den ganzen Betrieb auf einen Schlag lahmlegen. „Mal sehen, ob sie das bei einem Übungseinsatz machen“, meint Peter Lemanski.
Gemeinsame Einsätze wie die Großübung am Freitagabend absolvieren die drei Feuerwehren der Elbinsel jedes Jahr. Schließlich müssen die ehrenamtlichen Brandschützer im Notfall wissen, was sie tun – vor allem, wenn sie als Erste an Ort und Stelle sind, sagt Peter Lemanski. Es komme immer wieder vor, dass die Freiwilligen noch vor der Berufsfeuerwehr eintreffen. Überhaupt ist die Hamburger Feuerwehr auf Verstärkung von ehrenamtlichen Feuerwehrmännern und -Frauen angewiesen. „Man denkt, man ruft 112 und dann kommt die Feuerwehr und alles ist bezahlt“, sagt der Kirchdorfer Wehrführer. Doch so ist es offenbar nicht. Das bezahlte Personal reicht nicht, um bei einem Einsatz alle 16 Posten zu besetzen. Nur zehn Posten deckt ein Löschzug der Berufsfeuerwehr aus eigener Kraft, die übrigen sechs sind unbezahlte Freiwillige, wie Peter Lemanski sagt.
Nachwuchskräfte gesucht
Er selbst ist schon seit 22 Jahren freiwilliger Feuerwehrmann. Damals konnte er so den Pflichtdienst bei der Bundeswehr umgehen, erzählt er. Dieser Anreiz fällt heute weg – seit die Wehrpflicht abgeschafft ist, haben die freiwilligen Feuerwehren Mühe, genug neue Mitstreiter zu finden. „Wir suchen immer geeignete Leute“, sagt Peter Lemanski. Mit spannenden Einsätzen, Freundschaft und Zusammenhalt und einigen Extras wie Lkw-Führerschein oder Rettungskursen versuchen die Wehren heute, neue Ehrenamtliche für sich zu gewinnen. Jede und jeder ab 17 kann dabei sein – körperliche Fitness, Mut und Einsatzbereitschaft vorausgesetzt. „Gute Nachwuchskräfte fallen nicht vom Himmel“, sagt Peter Lemanski.
Die 33 Feuerwehrmänner aus Kirchdorf, Moorwerder und dem Reiherstiegviertel jedenfalls haben ihren Leistungstest bestanden: Trotz des dichten Qualms aus der Nebelmaschine fanden sie alle sechs Personen, die – gespielt von echten Menschen oder nachgestellt durch Rettungspuppen – scheinbar in Lebensgefahr geraten waren. Sie erkannten, dass Ammoniak im Spiel war, der sich im Ernstfall in der Nachbarschaft hätte ausbreiten können, und hielten Wasserschläuche bereit, um etwaige Dämpfe einzudämmen. Den Notschalter fanden sie, benutzten ihn aber nicht. Vom ersten Alarm bis zur Rettung des letzten „Opfers“ brauchten sie exakt 30 Minuten. Trotzdem sei er nur zu 90 Prozent zufrieden, sagte Peter Lemanski nach dem Einsatz. „Die Feuerwehr möchte natürlich immer noch schneller und besser sein.“
von Annabel Trautwein
[tweetbutton]
Schreibe einen Kommentar