Ob Sofas, Autoreifen oder Plastikschrott – Müll und Unrat liegt in Wilhelmsburg gefühlt an jeder Ecke und auf jedem Grünstreifen. Die Stadtreinigung scheint dagegen machtlos zu sein. Nun sollen wieder die Bürger mit anpacken, bei dem stadtweiten Aktionstag "Hamburg räumt auf" am heutigen Freitag. Doch was bringt die jährliche Putzaktion, wenn es kurz darauf wieder aussieht wie vorher?
WilhelmsburgOnline.de will es genau wissen und fragt die Stadtreinigung: Hat Wilhelmsburg ein Müllproblem?
"Wenn man die einzelnen Stadtteile im Süden Hamburgs vergleicht, kommt es in Wilhelmsburg und Veddel zu verstärkten Müllablagerungen und Verunreinigungen", räumt Pressesprecher Andree Möller von der Stadtreinigung ein. Mit harten Zahlen sei dies zwar nicht zu belegen, weil der Müll nicht nach Stadtteilen getrennt gewogen werde. Doch es bleibe der Eindruck.
Die Ursache dafür versucht Andree Möller so zu erklären: "Die unterschiedlichen Nationalitäten mit ihren unterschiedlichen kulturellen Werten mögen dazu beitragen, dass es in Wilhelmsburg nicht wie frisch gewaschen aussieht. Hinzu kommt die hohe Bevölkerungsdichte, die immer auch dazu führt, dass es anonymer wird und damit auch Regeln legerer ausgelegt werden. Eine ‚soziale Kontrolle’, wie in dörflichen Gemeinschaften üblich, findet hier nicht statt."
Sind Wilhelmsburger Schmutzfinken – oder wird die Insel vernachlässigt?
All diese Faktoren treffen ebenso auf andere Hamburger Stadtteile zu, die im Vergleich mit Wilhelmsburg jedoch deutlich gepflegter wirken – wie etwa Altona. So stellt sich die Frage: Sind nun die Wilhelmsburger besondere Schmutzfinken oder wird ihr Stadtteil gegenüber anderen vernachlässigt?
Ein direkter Vergleich mit anderen Stadtteilen lässt sich nur schwer anstellen. Denn wie oft gereinigt wird, ist von Straße zu Straße unterschiedlich. Somit kann die Stadtreinigung nur die recht vage Aussage treffen: "Die Stadtreinigung Hamburg reinigt in Wilhelmsburg zwischen ein- bis fünfmal in der Woche." Im Wegereinigungs-Verzeichnis ist nachzulesen, wie häufig jede Straße gereinigt werden soll. Wanderwege und Radwege, die keinen Straßennamen haben, sind nicht gelistet. Für Wege und Flächen auf öffentlichen Grünanlagen seien die Bezirksämter verantwortlich, legt die Verordnung fest.
Wilhelmsburg sei zudem in einer Sonderlage, erklärt Andree Möller: Hier arbeite die Stadtreinigung mit Bezirksamt, Polizei sowie Hamburg Port Authority (HPA), der Hamburger Hochbahn und der Deutschen Bahn zusammen. "Das ist nicht in allen Stadtteilen so und insofern besonders." Es klingt ein bisschen wie die Geschichte von den vielen Köchen und dem Brei. Mehr Zuständige heißt offenbar nicht automatisch mehr Ordnung.
Aktiv werden – Müllberge melden
Darum sind auch im Alltag wieder einmal die Bürger gefragt: Wer Verschmutzungen wie etwa Sperrmüll, überfüllte Mülltonnen oder Fahrradwracks entdeckt, soll diese bei der "Hotline Saubere Stadt 2576-1111" melden. Viele Bürger haben davon vermutlich noch nie gehört. Warum auch, denken manche vielleicht, es sei doch die Arbeit der Stadtreinigung, sich nach Müll umzuschauen.
Die Stadtreinigung sei zwar im eigenen Verantwortungsbereich von sich aus aktiv, sagt Möllers Kollege Reinhard Fiedler. Bei jeder Müllablagerung müsse aber geprüft werden, wer für die Beseitigung zuständig ist. Das sei nicht immer die Stadtreinigung.
Den Eindruck seines Kollegen, Wilhelmsburg sei stärker verschmutzt, weist Reinhard Fiedler zurück: Zumindest was die Sauberkeit der Straßen und Wege angeht, sei Wilhelmsburg sogar besser als der Hamburger Durchschnitt. Das gehe aus einer Datenbank für die Qualitätssicherung in der Straßenreinigung hervor. Auf einer Skala von 0 (absolut sauber) bis 30 (total verschmutzt) liege Hamburg insgesamt bei 9,6. Wilhelmsburg liege mit 9,4 darunter. Zum Vergleich: Wandsbek hat den Wert 9,3; Hamburg-Nord 9,9. Die Daten werden stichprobenartig gesammelt, die Straßen per Zufallsprinzip ausgewählt.
Die Verschmutzungs-Meldungen über die Hotline zeichnen ebenfalls kein eindeutiges Bild: Von 16.730 Meldungen in Hamburg 2014 betrafen 476 Wilhelmsburg. Für den größten und einen der bevölkerungsreichsten Stadtteile scheint das nicht übermäßig viel zu sein. Aber deuten nicht gerade wenige Meldungen auf ein Müllproblem hin, weil der Müll liegen bleibt?
Ein Müllhaufen kommt selten allein
"Eindeutig ja", sagt Reinhard Fiedler. "Wenn Müll liegen bleibt, führt das sehr schnell dazu, dass dieser Müll anderen Müll ‚anzieht’, sich also vermehrt und das Abfallproblem sich vergrößert."
Vielleicht beschweren sich die Menschen in Wilhelmsburg einfach weniger über den Dreck. "In einigen Stadtteilen stören sich Anwohnerinnen und Anwohner schon über einen herumfliegenden Papierschnipsel und melden dies bei der Hotline", meint Andree Moeller. Sauberkeit liege immer "im Auge des Betrachters".
Titelfoto von Klaus Schmidt – Elbinsel Unrat
Müll melden
Wer Unrat und Abfall am Straßenrand nicht kommentarlos hinnehmen will, findet in der Facebook-Gruppe "Elbinsel Unrat" Gleichgesinnte. Klaus Schmidt sammelt hier Fotos und Fundstellen von Ablagerungen im Stadtteil und versucht, zusammen mit Nachbarn Lösungen zu finden. Zurzeit macht er sich darüber Gedanken, wie Wilhelmsburger gegen Müllberge vorgehen können, die nicht auf städtischen Grundstücken lagern.
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