Der Fastenmonat Ramadan geht zu Ende. Am morgigen Freitag beginnt für Muslime in Wilhelmsburg das große Fastenbrechen-Fest. Wie überall auf der Welt haben sich viele einen Monat lang in Enthaltsamkeit geübt. 30 Tage lang durften die Gläubigen mehr als 16 Stunden – von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang – weder essen noch trinken.
Während viele Gemeindemitglieder der Ayasofia-Moschee ihrer täglichen Arbeit im Ramadan mit etwas mehr Anstrengung als sonst nachgehen, ist der Fastenmonat für den Imam Enes Nas ein wahrer Segen: „Für Muslime, die schwere körperliche Arbeit verrichten, beispielsweise auf dem Bau, ist das viel schwieriger als für mich. Ich kann in diesem Monat den ganzen Koran mit der Gemeinde lesen und meine Zeit in der Moschee verbringen.“ Der Imam kümmert sich täglich um etwa 60 bis 70 Gläubige, die zu ihm in die Ayasofia-Moschee auf den Vogelhüttendeich kommen. Zum Freitagsgebet sei das kleine Gotteshaus manchmal so überfüllt, dass man schon mit mehr 500 Leuten draußen im Hof gebetet habe, erzählt er.
Das Fasten zählt zu den fünf Säulen des Islam. Der Ramadan gelte als „König der Monate“, sagt der Imam. Und jeder, der laut Koran körperlich und geistig dazu im Stande sei, solle auch fasten. Dabei gibt es natürlich Ausnahmen: Reisende, Kranke und Kinder müssen nicht fasten. Schwangere sollen den Ramadan zu einem späteren Zeitpunkt nachholen, erklärt Enes Nas. Personen, die sich aufgrund ihres Alters nicht dazu in der Lage fühlen, sind laut des Imams der Ayasofia-Moschee dazu angehalten, täglich 10 Euro zu spenden, um Bedürftigen zu helfen.
Schlechte Gewohnheiten ablegen
„Es geht aber nicht nur darum, nichts zu essen oder zu trinken“, sagt Enes Nas. Wichtig sei auch, während des Fastens keine sexuellen Handlungen zu vollziehen, nicht zu rauchen, keine Lügen zu verbreiten und von übler Nachrede abzusehen. „Der Ramadan soll die Menschen erhabener machen, damit sie eine gewisse Spiritualität erreichen“, sagt er und lacht. „Was hat es denn für einen Sinn zu fasten, wenn man seine schlechten Gewohnheiten nicht ablegt?“
Wie jeden Abend seit Beginn des Ramadans herrscht im Hof der Ayasofia-Moschee ein reges Treiben. Nach dem Gebet lädt die islamische Gemeinde um 22 Uhr Gläubige und Interessierte zum täglichen „Iftar“, dem Fastenbrechen ein. Es gibt Suppe, anschließend Reis, mit Bohnen, Tomatensoße, Fleisch und Salat, den die Helfer in Styropor-Tellern bereits vorbereitet und auf die Tische gestellt haben. „Wir haben das ganze jetzt professionalisiert“, sagt Ahmet Asker, Sprecher und Übersetzer der Moschee. Bis vor kurzem mussten die Gläubigen sich in der Schlange anstellen, die manchmal fast bis vor auf die Straße reichte.
Manche Chefs wundern sich – doch letztendlich zählt Leistung
„Viele meiner Arbeitskollegen haben mich gefragt, ob ich eigentlich nicht ganz dicht bin“, erzählt Oktay Coksert amüsiert. Er ist in Deutschland geboren, Anfang 30, seine Familie stammt aus dem Süd-Westen der Türkei. „Die Chefs finden das schräg, dass man nicht mal Wasser trinken kann. Aber solange man auf der Arbeit seine Leistung bringt, sagen sie nichts.“ Letztes Jahr sei es ihm aufgrund der körperlichen Arbeit als Lagerist schwer gefallen, durchzuhalten. Diesmal mache ihm das Fasten weniger Schwierigkeiten: „Nach ein paar Tagen gewöhnt man sich dran, man darf nur nicht so schnell aufgeben, muss das locker angehen“, rät er und nippt an seinem Tee.
Mohamad Al-Halabi sieht das ähnlich. Er stammt ursprünglich aus Syrien, ist seit sechs Monaten in Deutschland und macht gerade einen Deutschkurs. „Für mich war das nicht so schwierig, denn ich mache das ja schon lange“, sagt er. Hier in Wilhelmsburg sei das Fasten für ihn sogar einfacher als Zuhause. „In meiner Stadt in Syrien ist es tagsüber immer sehr heiß und man muss viel laufen. In Deutschland dauert das Fasten zwar länger, aber es regnet viel in Hamburg und ich kann mit dem Bus oder der Bahn fahren. Das ist macht es leichter.“
Die meisten der rund 150 Gläubigen in der Moschee an diesem Abend sind Männer, zwischen 30 und 40 Jahren. Es gibt ein paar Jugendliche, die sich über Computerspiele unterhalten und nebenan am Kiosk noch ein paar Süßigkeiten holen. Kaum steht das Essen auf dem Tisch, kehrt schlagartig Ruhe ein. Und als der Imam noch einmal zum Beten in den Hof tritt, legen die Muslime ihr Besteck nieder, halten inne und streichen sich anschließend über die geschlossenen Augen.
Mitfühlen mit denen, die wenig haben
Arif Nas, der Sohn des Imams, ist 18 Jahre alt und hat soeben sein Abitur beendet. Er möchte dieses Jahr noch studieren. Er faste er seitdem er 14 Jahre alt ist, sagt er. „Ich hatte das Interesse dafür schon lange, denn klar, mein Vater ist Imam und meine älteren Geschwister haben schon gefastet. Meine Eltern haben mir das aber nicht erlaubt, als ich noch elf Jahre alt war. Wenn man älter wird, hat man dafür ja auch ein größeres Auffassungsvermögen.“ Was man beim Fasten lernen könne? „Zeitmanagement!“ antwortet er sofort. „Man lernt, seine Zeit besser zu kontrollieren. Denn man erkennt, wie viel Zeit man damit verschwendet, täglich soviel ans Essen zu denken.“ „Für mich schmeckt das Essen jetzt auch anders“, fügt Oktay Coksert hinzu. Er esse viel bewusster und gesünder, achtet mehr darauf, sich Zeit zu lassen. „Wir fühlen durch das Fasten auch nach, wie es Leuten geht, die nicht soviel Essen bekommen“, erklärt er.
Noch einmal Fasten, dann ist der Ramadan geschafft und die Muslime feiern drei Tage lang das große Fastenbrechen, das auf arabisch „Id-al-Fitr“ genannt wird. Das Fest, das für die Gläubigen einen ähnlichen Stellenwert hat wie Weihnachten in der christlichen Kultur, feiern sie meist im Kreise der Familie. Die Kinder erhalten dann Süßigkeiten und kleine Geschenke, Freunde und Nachbarn besuchen sich gegenseitig, man kleidet sich in neuen Sachen, liest den Koran und betet gemeinsam. An diesen Tagen stehen die Türen offen, versichert Arif Nas. „Man kann einfach überall hingehen, denn die Leute sind 24 Stunden bereit für Besuch.“
von Constanze Knothe
Wie sagt man „Alles gute zum Fastenbrechen-Fest?“
Wer selbst nicht feiert, aber muslimischen Nachbarn zum Fest gratulieren möchte, sagt auf türkisch „Bayramınız kutlu olsun“ (das ı wird ausgesprochen wie das letzte e in „Liebe“) oder auf arabisch „Eid Mubarak“ oder „Id Mubarak“.
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