Neues Quartier: Was kommt nach der Reichsstraße?

Wie soll sich Wilhelmsburg weiter entwickeln? Für die neue Nachbarschaft zwischen Assmann-Kanal und Jaffe-Davids-Kanal gibt es viele Ideen. Dabei zählt auch, was die Menschen auf der Insel sich wünschen. Noch bevor die Stadt entscheidet, ob und was gebaut werden soll, sollen Wilhelmsburger selbst Prioritäten setzen.

Die Reichsstraße kommt weg, stattdessen sollen ein neues, barrierefreies Quartier zum Wohnen und Arbeiten entstehen – so wünscht es sich der Senat, so steht es im Koalitionsvertrag und im Entwurf zum „Zukunftsbild Elbinseln 2013+“, so lautet der Prüfauftrag an die IBA für das Gebiet Nord-Süd-Achse. Doch erst einmal sollen Menschen aus dem Stadtteil selbst sagen, was ihnen für das neue Quartier wichtig ist. „Wir sind an einem ganz, ganz frühen Zeitpunkt der Beteiligung“, sagt Bürgerhausleiterin Bettina Kiehn. Der „Perspektiven!“-Prozess, der unter dem Dach des Bürgerhauses läuft, sei insofern einmalig: Noch bevor feststehe, ob überhaupt umgebaut wird, sollen die Nachbarinnen und Nachbarn mitbestimmen. „Das gab es so noch nie in Hamburg“, sagt Bettina Kiehn.

Das erste Kapitel der Zukunftspläne für Wilhelmsburg haben die „Perspektiven!“-Planer schon auf den Weg gebracht: An der Dratelnstraße entsteht bald ein neues Wohngebiet. Wie es aussehen soll, bestimmten Politiker, Planer und Menschen von der Insel gemeinsam. Bei der Ausschreibung, auf die sich Architekten und Landschaftsplaner bewarben, formulierten Bürgerinnen und Bürger die Vorgaben mit. Den Auftrag ergatterte am Ende das Team, das zuvor von Planern aus Bezirk und Senat am wenigsten Anklang gefunden hatte – und das den größten Spielraum ließ für die Wünsche der Menschen aus der Nachbarschaft. Lutz Cassel vom Stadtteilbeirat ist zufrieden mit dem Ergebnis: „Die Erfahrung zeigt, dass die Anforderungen der Bürger sehr gut berücksichtigt wurden.“

Wohnungsbau, Industrie, Naherholung – was hat Vorrang?

Beim Gebiet rund um den nördlichen Teil der heutigen Reichsstraßen-Trasse können Wilhelmsburgerinnen und Wilhelmsburger noch früher Einfluss nehmen, sagt Bettina Kiehn. Denn im Gegensatz zum Projekt Dratelnstraße ist noch nicht festgelegt, ob hier Wohnungsbau, Gewerbe, Industrie oder Naherholung den Vorrang haben soll. Die Wünsche für das Areal sind vielfältig: Schon heute sind dort Gewerbe- und Industriefirmen angesiedelt, die weiterhin ungestört arbeiten wollen – möglichst ohne neue Einschränkungen für Lkw-Verkehr, Lautstärke oder Abgase. Direkt nebenan ein idyllisches Wohngebiet zu errichten, das den Zielmarken des Senats und zugleich dem Willen der Nachbarschaft gerecht wird, ist schwierig. Zudem zeichnet sich Ärger ab: Die Kleingartenvereine am Assmann-Kanal fürchten um ihre Parzellen und wollen nicht weichen. „Die Angst, verdrängt zu werden, spielt hier eine Extrarolle“, sagt Lutz Cassel. Der Landesverband der Kleingärtner habe dem Senat schon Protest angekündigt.

Kein Wunder, dass am Donnerstagabend im Bürgerhaus lange diskutiert wurde. An vier Tischgruppen sollten die ersten Ideen und Vorschläge aus dem Stadtteil konkreter werden – jeweils zu den Themen Wohnen, Öffentliche Räume und Zugänge, Zusammenleben und Versorgung und Mobilität und Lärm. Erste Prioritäten hatten die „Perspektiven!“-Planer schon in einer mehrgleisigen Umfrage online und im Stadtteil ermittelt. Ganz oben auf der Wunschliste der Teilnehmenden: Bezahlbarer Wohnraum, freier Zugang zum Wasser, bunt gemischte Nachbarschaften und wenig Autoverkehr. Doch was heißt bezahlbar, wie gelingt eine Nachbarschaft für alle? Darüber beratschlagten etwa 60 Bürgerinnen und Bürger am Donnerstag bis in den späten Abend.

IBA soll zu erwartende Kosten prüfen

Die Ergebnisse sollen auch diesmal in die Ausschreibung zum Planungswettbewerb einfließen. Schon in der Bewerbung um Aufträge müssen sich Architekten und Landschaftsplaner dann auf die Wünsche aus dem Stadtteil einstellen. Zugleich sollen die Stadtplaner der IBA prüfen: Was würde es kosten, die Ideen und Forderungen der Wilhelmsburger wahr zu machen? Wird es aus Sicht des Senats zu teuer, könnte sie neue Verhandlungen eröffnen, um Kompromisse zu finden, oder im Extremfall ihre Zukunftspläne für die Nord-Süd-Achse im Extremfall ganz aufgeben. Was auch immer entstehen wird zwischen den beiden Kanälen – das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen.

 

Termine zum Mitmachen:

Am Montag, 7. März, trifft sich die Redaktionsgruppe von „Perspektiven!“ um 18 Uhr im Bürgerhaus, um Anforderungen für das Ausschreibungsverfahren zu formulieren. Alle Interessierten können daran mitwirken.

Am 12. April gibt es ein Treffen im Bürgerhaus, um Rückfragen zu den Forderungen und Wünschen im Ausschreibungstext zu besprechen.

Am 10. Mai ist die Präsentation der Zwischenergebnisse geplant.

Genaue Informationen zu Projekten und Terminen gibt es laufend auf der Internetseite des Beteiligungsverfahrens „Perspektiven! Miteinander planen für die Elbinseln“

 

 

[tweetbutton]


Beitrag veröffentlicht

in

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert