Die Insel wird zur Galerie

Die Elbinsel Kunst- und Ateliertage sind in vollem Gange: Bis Sonntagabend stellen Künstler und Kreative in Wilhelmsburg ihre Werke aus. Und das nicht nur an bekannten Adressen wie der Honigfabrik, dem Künstlerhaus Georgswerder, den Zinnwerken oder dem Atelierhaus23 – auch in Hinterhöfen oder im Grünen gibt es eine schillernde Vielfalt an künstlerischen Ideen zu entdecken. „Der erste Tag ist super gelaufen“, sagt Kathrin Milan, die die stadtteilweite Werkschau ins Leben gerufen hat. „Die Ausstellungen waren gut besucht, viele Besucher waren schon ein bisschen platt, aber begeistert.“ Nach einem gemeinsamen Abendessen machen sich die Künstler bereit für den zweiten Tag, an dem noch einige Türen mehr geöffnet werden sollen.

Die Hälfte ist schon rum – viel zu schnell, findet der Maler Torsten Schnitter. „Die Kunst- und Ateliertage sollten länger sein“, sagt er. Den Sonntag will er nutzen, um selbst durch den Stadtteil zu streifen und möglichst viel von der Arbeit anderer zu sehen. Seine eigenen Werke stellt er gemeinsam mit Benedikt Brockmann und Kathrin Milan der Rotenhäuser Straße 102a aus, zwischen Kfz-Werkstatt und den Hinterhöfen der umliegenden Wohnhäuser. Torsten Schnitter zeigt Gemälde: Porträts von Freunden und Bekannten, in Gouache auf Packpapier, jedes in seinem eigenen Stil. „Menschen zu porträtieren, die man kennt, hat schon einen besonderen Reiz“, sagt er Maler. Zudem zeigt er eine Reihe selbst erdachte Werbeschilder im Comic- und Pin-up-Stil. Mit seinem Kollegen Benedikt Brockmann teilt er die Vorliebe für kräftige Farben – darüber hinaus bilden die Gemälde-Ausstellungen in der weiß getünchten Werkshalle einen starken Kontrast. Benedikt Brockmann will nichts und niemanden abbilden, sondern lädt sein Publikum zum Spiel mit Formen und Farben ein. In Öl und Lack konstruiert er geometrische Figuren. Was sie darstellen, sollen die Betrachter selbst entscheiden. „Meine Bilder erzählen keine Geschichten“, sagt er. „Es ist was es ist.“ Kathrin Milan dagegen stellt Werke aus, in denen besonders viel Geschichte steckt: Sie zeigt „Bündel“ aus gefundenen Kleidern und Decken, die sie von ihren Reisen mitgebracht oder in Wilhelmsburg am Straßenrand aufgelesen hat.

Hautnah ran geht auch Günter Marnau mit seinen „Nasenbildern“. Die Idee entstand bei einer Spielerei: Ein sogenanntes Selfie, das der Künstler von seiner eigenen Nase schoss, zeigte in der Vergrößerung eine Struktur, die ihn zu einer ganzen Bilderreihe inspirierte. Er fotografierte die Nasenspitzen von Einzelpersonen und Paaren, die in extremer Vergrößerung als bunte, grafische Formen wirken. „Ich habe mehr als 50 Menschen fotografiert“, sagt der Künstler. „Bei jedem ist das Ergebnis anders.“ Im Verdüsungsgebäude des ehemaligen Wasserwerks am Kurdamm zeigt er – neben stilisierten Fotografien von Obst und Gemüse – eine Auswahl seiner Nasenbilder. Weit über die Nasenspitze hinaus gehen die Bilder von Ute Bantin, die im selben Raum zu sehen sind: „Draußen“ heißt ihre Ausstellung von Acrylgemälden und Aquarellen in kräftigen Farben. Mit Vorliebe stellt die Künstlerin Wasserlandschaften und weitläufige Wege dar, meist abstrakt-realistisch, manchmal mit einem Abstecher in surreale Traumwelten. Beide Ausstellungen laufen nach den Kunst- und Ateliertagen noch vier Wochen weiter. Auf Wunsch stehen die Künstler für Führungen bereit, Anfragen sind möglich unter ute.bentin@gmx.de oder info@peutekunst.de.

Am Fuße des Energiebergs, inmitten von Kleingartenlauben und zirpenden Grillen, ist etwas Neues, Buntes herangewachsen: Eine Skulptur aus Latten, begehbar wie ein kurviger Tunnel, erstreckt sich von einer Parzelle zur nächsten. Das pink-violette Kunstwerk zieht schon den ganzen Samstag über neugierige Besucher an, sagt Karl Christian Glismann. Gemeinsam mit Saturino van Asperen, Markus Krauss und Josefine Pasura will er in Georgswerder eine neue Adresse für Kunst etablieren: Die Galerie Dock 13. Hinter der Gartenpforte Nummer 141 im Niedergeorgswerder Kleingartengebiet haben die Freunde ein offenes Bauwerk aus Holz geschaffen und flächendeckend abgeflämmt, um es gegen Wind und Wetter zu schützen – schließlich sind sie gekommen, um zu bleiben. Nun hoffen sie, dass andere es ihnen gleichtun. „Wir haben sehr viel Potenzial gesehen, bei uns und bei Freunden. Das wollen wir hier bündeln“, sagt Karl Christian Glismann. Die Kleingarten-Galerie soll allen interessierten Künstlern offen stehen. Wer sie für eine eigene Ausstellung nutzen will, findet die Gruppe unter Dock 13 auf Facebook oder kann per Mail an karl.glismann@hcu-hamburg.de Kontakt aufnehmen, verspricht der Architekturstudent.

Am Sonntag beginnt die zweite Hälfte der Elbinsel Kunst- und Ateliertage. Dann sollen noch mehr Ateliers und Ausstellungen ihre Türen öffnen: Rund um den S-Bahnhof Wilhelmsburg öffnen Künstler ihre Privaträume, im Museum Elbinsel Wilhelmsburg sind Kinderzeichnungen aus dem ersten Weltkrieg zu sehen. Zudem laden die Zinnwerke am Veringkanal zum Kunstgenuss ein. „Ich kann nur allen empfehlen, das anzugucken, was sie heute nicht geschafft haben“, empfiehlt die Initiatorin Kathrin Milan.

von Annabel Trautwein

 

Info:

Das Programm der Kunst- und Ateliertage ist hier im Internet zu finden. In gedruckter Form ist es in vielen Geschäften und Auslagestellen in Wilhelmsburg erhältlich.

 

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Kommentare

Eine Antwort zu „Die Insel wird zur Galerie“

  1. Avatar von Günter Marnau

    Hallo Annabel,

    Danke für den schönen Artikel! Als Aussteller sehe ich sonst ja nichts von den anderen. Die Besucherinnen haben da einen schönen Vorteil. Viele haben berichtet, wie toll sie viele Aktionen gefunden haben.

     

    Gruß

    Günter

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