Schöner Scheitern: 10 Tage Freiluftkino am Kanal

Ende gut – alles gut? Langweilig, finden die Macher des mobilen Kinos Insel-Lichtspiele in Wilhelmsburg. Viel spannender wird es, wenn alles schiefgeht. Die neue Freiluft-Filmreihe des Kinovereins widmet sich deshalb dem Scheitern. Morgen läuft der erste von zehn Filmen auf dem Hof der Zinnwerke am Veringkanal: Der Klassiker „Außer Atem“ von Jean Luc Godard. Dazu gibt es Live-Musik vom Wilhelmsburger Liedermacher R.J. Schlagseite.

Die einen fordern ihr Glück heraus, die anderen verfallen dem Größenwahn und manche wollen einfach nur klarkommen: die Wege ins Desaster sind vielfältig und schillernd. Das ist großes Kino, finden die Macher der Insel-Lichtspiele. Drohendes Unheil, Eskalation, Panik, Katastrophe – wer kennt das nicht aus eigener Erfahrung? Bei der Filmreihe „Scheitern“ kann jede Hauptfigur ein Seelenverwandter sein. Und ist der Tiefpunkt erst erreicht, was dann? Dann wird es noch einmal richtig spannend.

Michelle Poiccard (Jean-Paul Belmondo) aus Jean-Luc Godards Erstlingswerk „Außer Atem“ hat hoch gepokert: Bereits auf der Flucht vor der Polizei manövriert er sich von einer Zwickmühle in die andere, bis alles von einer Person abhängt: seiner flüchtigen Geliebten Patricia (Jean Seberg). Mit dem Nouvelle-Vague-Streifen aus dem Jahr 1960 steht ein Klassiker auf Platz eins der zehnteiligen Filmreihe des Inselkinos. Bis zum 10. August soll das Publikum noch mehr davon bekommen: den jungen Al Pacino in „Hundstage“, Romy Schneider, Jeanne Moreau und Anthony Perkins in der Kafka-Verfilmung „Der Prozess“, Klaus Kinski in „Fitzcarraldo“.

Doch auch die kleinen Niederlagen des Alltags bekommen ihre Bühne beim Open-Air-Kino am Veringkanal: „Fish Tank“ erzählt vom Leben der 15-jährigen Schulabbrecherin Mia, die einfach nur das Beste aus ihrer miesen Lage machen will und immer wieder enttäuscht wird. Nico aus „Oh Boy“ ist älter, aber kaum einen Schritt weiter – haltlos und mit ständigem Kaffeedurst driftet er durch die Berliner Nacht. Der 13-jährige Gunther aus „Die Beschissenheit der Dinge“ dagegen lässt es krachen, wie seine alkohol- und testosterongetränkte Verwandtschaft es ihm vorlebt. Erst als Erwachsener findet er sich am Rande des Abgrunds wieder.

Jedes Scheitern ist eine Chance – auch daran wollen die Macher der Insel-Lichtspiele mit ihrer Reihe erinnern. Der Film „Fitzcarraldo“ zeugt selbst davon: Hätte Jack Nicholson wie geplant die Hauptrolle übernommen, hätte Jason Robards die Dreharbeiten im peruanischen Urwald durchgestanden, wäre die Hauptrolle nie Klaus Kinski zugefallen. Kinski wiederum brachte das gesamte Projekt mit seinen Wutausbrüchen derartig in Gefahr, dass der Film schon wieder zu scheitern drohte. Er selbst kam nur deshalb mit dem Leben davon, weil Regisseur Werner Herzog das Angebot der am Film beteiligten Ureinwohner ausschlug, den rasenden Kinski zu töten. Zumindest das ist noch einmal gut gegangen.

Persönliche Pannen sind gefragt!

Zusätzlich zum Geschehen auf der Leinwand stellen die Insel-Lichtspiele ein passendes Begleitprogramm auf die Beine: Zur Eröffnung der Filmreihe am Freitag um 20.30 Uhr spielt der Liedermacher R.J. Schlagseite Songs über das Scheitern aus seinem neuen Album „Tod allen Fanatikern“. Ein jazziges Intro zum Film „Fahrstuhl zum Schafott“ am Sonntag, 3. August, kündigt der Musiker Rolf Pifnitzka an. Auch am Dienstag, 5. August, zur Vorstellung von „Oh Boy“ gibt es Live-Musik: Dann soll die Bühne der Band „The Leaves of Pooky Hill“ gehören. Das Vorprogramm zum Film „Hundstage“ am Donnerstag, 7. August, liefert Günter Kutzke mit einer poetischen Anleitung zum Scheitern. Zudem verspricht das Kino-Team passende Kurzfilme und Überraschungen.

Bei der Revue der Reinfälle soll auch das Publikum mitmachen können – schließlich ist das Scheitern niemandem fremd. Die Insel-Lichtspiele fordern deshalb dazu auf, persönliche Niederlagen und alltägliche Katastrophen zu Papier zu bringen und dem Programm beizusteuern. Eine Auswahl der Geschichten soll dann – auf Wunsch anonym – vor Publikum vorgelesen werden, jeweils bevor der Film des Tages beginnt. Unter allen Einsendungen verlosen die Kino-Macher das neue Album von R.J. Schlagseite. Wer mitmachen möchte, kann seine Geschichte im „Scheitern“-Briefkasten am Eingang der Zinnwerke einwerfen oder per Mail schicken an info@insel-lichtspiele.de

von Annabel Trautwein

 

Infos zur Open-Air-Kinoreihe

  • Wann: Donnerstag, 31. Juli – Sonntag, 10. August. Einlass ab 20.30, Filmbeginn um 21.30
  • Wo: Zinnwerke (Am Veringhof 7)
  • Eintritt: 5 Euro, ermäßigt 3 Euro
  • Programm: www.insel-lichtspiele.de

 

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Kommentare

2 Antworten zu „Schöner Scheitern: 10 Tage Freiluftkino am Kanal“

  1. Avatar von
    Anonymous

    Hallo

    ein kleiner Fehler

    Werner Herzog ist/war der Regiesseur von Fitzcarraldo

    aber sonst schöner Artikel, danke

    Hannes

  2. Avatar von WilhelmsburgOnline.de

    Hups! Dankeschön Hannes für den Hinweis! Wir haben den Namen soeben berichtigt. Jetzt stimmt's.

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