Was bringt das Dockville für die Insel?

Gummistiefel, Sonnenbrille, Dosenbier – das MS Dockville steht wieder an. Für ein langes Wochenende macht es Wilhelmsburg zum Festival-Hotspot Hamburgs. Internationale Stars auf der Bühne, viel Kunst ringsherum und der Charme der Hafenindustrie als Extra ziehen rund 25.000 Jugendliche aus ganz Deutschland auf die Elbinsel. Wie erleben Menschen von der Insel das neonbunte Treiben am Reiherstieg? Was bringt das Festival für den Stadtteil? WilhelmsburgOnline.de hat sich umgehört.

„Gibt's noch Tickets fürs Dockville?“ Sanja Buljan, Inhaberin des Reisebüros Smarttravelling und derzeit Vorverkaufsstelle, wirft einen Blick auf den jungen Mann vor ihr. Baseball-Kappe, schwere Halskette. „Ja, Freitag und Sonntag“, sagt sie und legt ihre Zigarette in den Aschenbecher. „Du bist Anwohner, ne?“ Sanja Buljan ist auf der Insel groß geworden und gut vernetzt, da kann sie beim Verkauf der AnwohnerInnen-Tickets auch mal auf Passkontrollen verzichten. Beim nächsten muss sie nachfragen, ein blonder junger Mann mit Juterucksack, dicht gefolgt von einem Mädchen mit krausem Haar. „Gehört ihr zusammen?“, fragt Sanja Buljan. „Nee“, sagt das Mädchen, „aber vermutlich wollen wir dasselbe.“

Entspannt mit Freunden feiern, Musik genießen, sich treiben lassen – das macht auf dem Dockville am meisten Spaß, sagen die beiden. Ob Sonntag oder Freitag, hängt eher vom Zeitplan der Freunde ab als vom Line-Up. „Ich hab noch gar keinen Plan“, sagt der Blonde. Der Festival-Besuch sei eine ganz spontane Aktion – und wenn das Ticket für Anwohner nur 15 Euro kostet… „Das Dockville ist nicht so überladen wie andere Festivals“, meint die junge Frau. Ein weiterer Pluspunkt: Der Sound von den Bühnen sei gut ausgerichtet, Doppelbeschallung gebe es praktisch nicht. Dem Kunden mit der Baseball-Kapppe kommt es darauf nicht an. Das Festival an sich interessiere ihn gar nicht, meint er, auch im vergangenen Jahr sei da außer „Teeniebesäufnis“ nicht viel gewesen. Trotzdem ist ihm die Sache 15 Euro wert – „wegen 'ner Perle, die da auch rumlungert“, erklärt er.

So entspannt seien nicht alle, sagt Sanja Buljan: „Dieses Jahr ist der Ticketverkauf anstrengend wie nie zuvor.“ Immer wieder gebe es Diskussionen, weshalb Samstags nichts mehr drin sei und wie „ausverkauft“ denn überhaupt ein Argument sein könne, schließlich sei man doch von hier. Sanja Buljan ist Wilhelmsburgerin mit Herz und Seele, als eine der Gründerinnen von Elbinselguide kümmert sie sich um ein gutes Miteinander von Einheimischen und Touristen. Auch das Partyvolk auf dem Dockville-Gelände versorgt sie von ihrem Info-Stand aus mit Tipps: Welcher Laden im Stadtteil hat Gummistiefel im Angebot? Wo gibt es einen Geldautomaten? Für den Abtransport von Dosenbier hat sie beim Fahrradverleih Wilhelmsburg schon eine Flotte „Hackenporsche“ angefragt. Nicht nur die zugereisten Festivalgäste, auch die Insel soll was vom Festival haben, sagt die Unternehmerin. Günstigere Tickets für Einheimische seien eine gute Idee, wenn die Dockville-Leute den Stadtteil auf ihrer Seite haben wollen. Einen Rechtsanspruch darauf könne aber niemand erheben. „Wer unbedingt zum Festival will, kann auch ein reguläres Ticket kaufen“, findet Sanja Buljan.

Größer wird’s nicht

So dachten auch die Macher des Dockville, als sie 2007 ein Kontingent für Gäste aus Wilhelmsburg und der Veddel beiseite legten. „Es ging uns vor allem darum, dass diejenigen, die sonst nicht auf derartige Festivals gehen, sich ein Bild vom bunten Treiben am Reiherstieg machen konnten“, erklärt Enno Arndt, Geschäftsführer beim Veranstalter Kopf und Steine. 200 Gäste nutzten das Angebot im ersten Jahr. „Diese Zahl ist dann rasant gestiegen – das hängt natürlich auch damit zusammen, dass sehr viele junge Menschen nach Wilhelmsburg gezogen sind“, sagt Enno Arndt. Zum ersten Mal hat das Team deshalb die Zahl der AnwohnerInnen-Tickets pro Tag limitiert: Freitag 700, Samstag 200, Sonntag 500 Stück. So wollen die Veranstalter zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einerseits soll der Andrang besser reguliert werden, andererseits sollen die finanziellen Einbußen, die die rabattierten Karten mit sich bringen, begrenzt bleiben.

Zwei Tage Freiluftparty, 5000 Gäste – damit begann die Geschichte des MS Dockville. Inzwischen ist das Festival am Reiherstieg zu einem Großevent von deutschlandweitem Rang geworden, überregionale Medien stellen es in eine Reihe mit Klassikern wie Rock am Ring, Wacken, Melt oder Roskilde in Dänemark. Für die Dockville-Macher bedeutet das auch: Mehr Bühnen, mehr Buden und Toiletten, höhere Mieten an die Stadt, mehr Security, mehr Technik und Versicherung, bekanntere Acts und höhere Gagen. Nun ist das Maximum erreicht, sagt Geschäftsführer Enno Arndt. „Mit rund 25.000 BesucherInnen haben wir jetzt die Obergrenze erreicht. Wir können nicht weiter wachsen und wollen auch den familiären Charakter des MS Dockville Festivals erhalten.“

Dosenbier im Überfluss

Auch für manche Geschäftsleute in Wilhelmsburg ist das Dockville ein Faktor geworden. „Vor zwei Jahren wurden wir hier quasi überrannt“, erzählt Martin Ziegler vom Edeka-Markt an der Straße Am Veringhof. 2013 habe er deshalb vorgesorgt: Palettenweise wurde das Dosenbier-Sortiment aufgestockt und gut sichtbar im Markt platziert. Doch das Partyvolk blieb aus – das Dockville hatte den Eingang zum Festivalgelände an den Schlengendeich verlegt. Seitdem ist der Lidl-Markt an der Ecke Georg-Wilhelm-Straße/Mengestraße die erste Adresse für durstige Festivalgäste.

Auch für Kioskbetreiber Mustafa Sütcü, der an der Bushaltestelle Veringstraße (Mitte) seinen „Kiosk 13“ betreibt, liegen die goldenen Festival-Zeiten schon eine Weile zurück. Vor drei, vier Jahren habe er gar nicht zu gemacht, erzählt er. Tag und Nacht klingelte die Kasse. Heute kommen nur noch ab und zu Leute vom Dockville vorbei. „Jetzt haben sie ja Busse, die die Leute direkt zum Gelände fahren“, sagt er. Die Haltestelle vor seiner Tür spielt für die Anreise zum Dockville kaum mehr eine Rolle. Mazlum Akbalik von der Total-Tankstelle Straße, hat ähnliche Erfahrungen gemacht: 2012, bevor es die Shuttle-Busse gab, war noch mehr los, sagt er. Trotzdem rechnet er am Wochenende mit stärkerer Nachfrage nach Bier und Zigaretten.

Unterm Strich profitiert Wilhelmsburg vom Festival – davon ist Sanja Buljan überzeugt. „Das Dockville tut dem Stadtteil auf jeden Fall gut“, sagt sie. Auch die gelegentlichen Debatten mit Nachbarn, die unbedingt noch zum Insel-Preis aufs Festival wollen, signalisieren ihr: Das Dockville findet Anklang. In ihrer Vorverkaufsstelle an der Veringstraße liegt dieser Schluss nahe.

Weiter östlich dagegen, jenseits der Bahnschienen, scheint das kommende Wochenende eins wie jedes andere zu werden. „Das Dockville ist für die meisten hier kein Thema“, sagt eine Mitarbeiterin einer Jugendeinrichtung, die namentlich nicht genannt werden möchte. Beim Lüttville, das gezielt Kinder aus dem Stadtteil anspricht, seien zwar viele Jüngere aus der Nachbarschaft dabei. Aber das Dockville ziehe hier nicht. Wenn sie nicht gerade im Urlaub seien, verließen viele Jugendliche überhaupt kaum ihr Quartier, sagt die Jugendarbeiterin. „Dockville – das ist ganz weit weg für die.“

von Annabel Trautwein

 

Eure Tipps fürs Festival: Was muss mit?

Sonnencreme oder Regenjacke – was dürfen Festivalgänger bei ihrem Trip an den Reiherstieg auf keinen Fall vergessen? Verratet uns eure Tipps für das ideale Festival-Gepäck – schließlich kennt ihr euch hier am besten aus. Wir machen sie dann hier auf WilhelmsburgOnline.de publik, damit alle was davon haben. Eine Mail mit Stichworten an redaktion@wilhelmsburgonline.de genügt – wir sind gespannt auf eure Ratschläge!

 

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Kommentare

3 Antworten zu „Was bringt das Dockville für die Insel?“

  1. Avatar von Ivo
    Ivo

    Geschäftsführer Enno Arndt sagt im Interview also: „Mit rund 25.000 BesucherInnen haben wir jetzt die Obergrenze erreicht.“ Wie hat er denn das große "i" in "BesucherInnen" ausgesprochen? Ganz normal, so wie in "Besucherinnen" oder wie?

    Na egal, ob hier im Text munter von "AnwohnerInnentickets" (sic!) oder "Veranstaltern" die Rede ist und man als Leser (oder LeserIn, Leser_in, Leser*in oder oder oder) würfeln darf, was jeweils gemeint ist: Das Festival ist die beste Imagekampagne, die sich Wilhelmsburg wünschen kann! Tausende Auswärtige, die zu diesem Anlass den "Sprung über die Elbe" wagen und sehen, was für ein normaler und lebenswerter Stadtteil das ist, sind enorm viel wert. Endlich schreiben auch Mopo & Co nicht immer nur von Mord und Todschlag auf der Insel.

  2. Avatar von Henning
    Henning

    Mensch Ivo, hast dich ja super ausgelassen und dann Totschlag mit „d“ geschrieben. Puh.

  3. […] wohin jetzt? Mein Nachbar, das Festival: Über die Bedeutung des Events für den Stadtteil Wilhelmsburg. Der Festivalfotograf: Hinrich […]

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