Wahlsonntag auf der Insel

Die Entscheidung der wahlberechtigten Wilhelmsburger ist gefallen – oft jedoch gegen die Stimmabgabe für ein neues Landesparlament. In vielen Wahllokalen auf der Insel warteten die Helferteams vergeblich auf den Ansturm. Zu tun hatten sie trotzdem: Zum Beispiel Regeln erläutern, Namen und Adressen abgleichen oder die Feuerwehr rufen, um ein Schloss knacken zu lassen. WilhelmsburgOnline.de hat sich am Wahlsonntag auf der Insel umgehört.

Eine der ersten Amtshandlungen des Wahlteams am Schlöperstieg: Schloss knacken lassen. Als Simone Wawrzyniak und ihre Wahlhelfer an der Kindertagesstätte Posten beziehen wollten, fanden sie eine abgeschlossene Tür vor, aber keinen Schlüssel. Durch den Notausgang schaffte es das Team ins Wahllokal – und auch die wenigen Wähler, die vor 10 Uhr ihre Kreuzchen machen wollten. Doch auf Dauer konnte es so nicht laufen, erklärt die Wahlleiterin. Der Notausgang war nicht barrierefrei, eine Wählerin habe sogar umkehren und später wiederkommen müssen. Gegen 10 Uhr war der Weg dann frei, wie Simone Wawrzyniak erzählt: Die Feuerwehr sei mit Spezialwerkzeug angerückt und habe das Schloss kurzerhand aus der Tür herausgebohrt. So schafften es immerhin rund 360 Wähler ins Lokal. Viel sei das nicht, sagt die Wahlleiterin. Laut Register hätten es fast drei Mal so viele sein können.

Auch im Wahllokal der Windmühle Johanna geht es mittags geruhsam zu. Den größten Aufruhr verursachen zwei Hunde, die sich kurz anbellen und eilig von ihren Besitzern getrennt werden. Doch die Ruhe trügt, wie Martin Zimmel berichtet: „Vor einer halben Stunde zum Beispiel waren hier ewig lange Schlangen. Und heute Nachmittag erwarten wir den größten Andrang, das ist meistens so.“ Seit über 25 Jahren ist er ehrenamtlicher Wahlhelfer im Wahlbezirk 13608. „Demokratie macht mir Spaß! In anderen Ländern müssen Menschen dafür sterben, was wir hier tun können“, sagt er. „Das ist ein wertvolles Gut.“ Die Stimmung im Team ist gut, was merklich auf die Wähler abfärbt. „Das war ja einfach!“ jubelt eine Frau, nachdem sie ihre Wahlzettel in die Urne geworfen hat. Gelächter begleitet sie aus der hölzernen Diele. „Wir Wahlhelfer kennen uns schon alle lange und sind gut eingespielt. Wenn man einmal dabei war, wird man immer wieder aktiv“, sagt Martin Zimmel. Die Erfahrung zeigt ihm auch, dass sich gewisse Muster bei den Wahlen wiederholen. „Wir haben hier viele ältere Wähler, was natürlich auch am Wahlbezirk liegt: viele Eigenheimbesitzer leben hier.“ Um die Wahlbeteiligung macht sich Martin Zimmel keine Sorgen – er erwartet 70 bis 80 Prozent. „Hier siegt bisher immer ganz klar die SPD“, sagt er.

Wahlhelferin: „Eindrücke können täuschen“

So genau möchte sich Wahlhelferin Joana Krüger im AWO-Seniorentreff an der Rotenhäuser Wettern nicht festlegen, auch wenn sie weiß: „In Hamburg wird ja immer eher rot gewählt, und hier bekommen auch die Linken einige Stimmen.“ Das Team im Wahlbezirk 13706 ist gut drauf, die stetig eintrudelnden Wähler werden mit flotten Sprüchen begrüßt und durch die Wahl begleitet – ein Kontrast zur eher gediegenen Atmosphäre des Seniorentreffs mit seinem Linoleum-Fußboden und den Holzfurnier-Regalen. Joana Krüger ist schon seit mehreren Wahlen dabei, aber eine Prognose gibt sie nicht ab, denn Eindrücke können täuschen, berichtet sie: „In diesem Wahlbezirk ist die Wahlbeteiligung eher mittelmäßig, auch wenn wir während der Wahl den Eindruck haben, dass extrem viele Leute kommen.“ Sie wendet sich einem älteren Herrn zu – er hat nur seinen Ausweis dabei und benötigt eine Wahlbenachrichtigungskarte, um seine Stimme abgeben zu können. Joana Krüger hilft schnell weiter und lächelt hinterher: „Das kommt oft vor, ist aber kein Problem. Dafür sind wir ja da.“

„Boah ey, da muss man ja blättern ohne Ende!“, klingt es aus einer der Papp-Kabinen, die in der Ganztagsschule Fährstraße auf den Pulten stehen. „Sie müssen ja nicht alles ankreuzen“, antwortet Wahlleiter Claus Grins. Die Stimmung ist gut im Lokal Nummer 13701 – die Wahlbeteiligung könnte auch hier besser sein. Am Vormittag sei fast nichts los gewesen, erzählt Claus Grins. In den ersten drei Stunden etwa 25 Wähler, mehr nicht. „Alles Langschläfer“, vermutet der Wahlleiter, denn nach 15 Uhr sei der Zulauf doch noch gewachsen, vor allem der an jungen Leuten. Zwei Wahlwillige musste Claus Grins wieder wegschicken. „Die hatten gedacht, sie könnten in jedem x-beliebigen Wahllokal im Hamburger Stadtgebiet wählen“, erklärt er. Das sei zum Glück schon eine Weile her – Zeit genug für die beiden, das richtige Wahllokal noch aufzusuchen.

Stimme abgeben – diesmal nur mit deutschem Pass

Am Schalter von Wahllokal 13616 in Kirchdorf-Süd erklärt eine blondierte Dame: „Ich hab den Schein und alles weggeschmissen.“ Fast hätte sie auch vergessen, dass heute Wahlsonntag ist. Jetzt möchte sie aber trotzdem gern abstimmen. Holger Wallitzer lächelt. Er kennt das schon. In seinem Lokal am Karl-Arnold-Ring in Kirchdorf-Süd komme etwa jeder fünfte ohne Wahlbenachrichtigung, sagt er. Die Frau kramt ihren Personalausweis hervor, Holger Wallitzer prüft seine Liste. Ja, Erlerring, der Name passt, einer Stimmabgabe für die neue Bürgerschaft steht nichts im Wege. Kurz darauf kommt wieder eine Frau mit ihrem Pass in der Hand, doch hier muss der Wahlhelfer eine Absage erteilen: Es ist ein kroatischer Pass. Einen anderen hat die Frau nicht. „Dann wird es schwierig“, sagt Holger Wallitzer. Anders als bei der Bezirkswahl im Mai dürfen bei der Bürgerschaftswahl nur Deutsche abstimmen. „Aber trotzdem danke, dass sie gekommen sind“, sagt der Wahlhelfer. Er ist es bereits gewöhnt, die Spielregeln erklären zu müssen – viele in seinem Lokal erkundigen sich noch kurz vor der Stimmabgabe. Die blonde Frau aus dem Erlerring taucht nach einigen Minuten wieder auf. „Ich habe einen Namen gesucht, deshalb hat es so lange gedauert“, sagt sie. Das rote und das gelbe Stimmzettelheft landen in der Urne. Der gesuchte Name stand nicht darauf.

von Sarah Kraaz und Annabel Trautwein

 

 

Wie hat Wilhelmsburg abgestimmt?

Die Ergebnisse der Bürgerschaftswahl 2015 für die Elbinsel lest ihr am Montag nach der Wahl exklusiv auf WilhelmsburgOnline.de.

 

 

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