Weniger ist mehr: Konsum und Genuss in der Fastenzeit

Die christliche Fastenzeit hat begonnen. Sieben Wochen lang wollen sich Gläubige darauf besinnen, wie sie ihr Leben in Einklang mit Gott gestalten können. Die Wilhelmsburger Pastorinnen Friederike Raum-Blöcher und Chang-Mi Dallat laden Menschen jeder Religion ein, dabei mitzumachen. Im Rahmen der Fastenaktion der evangelisch-lutherischen Nordkirche organisieren sie jede Woche Gottesdienste, Ausflüge oder Veranstaltungen zum Thema Bio und Fair Trade. Was das mit Fasten und Glauben zu tun hat, erläutert Friederike Raum-Blöcher im Interview mit WilhelmsburgOnline.de.

Worum geht es in der christlichen Fastenzeit?

Es geht darum, sich auf das zu konzentrieren, was uns mit Gott verbindet. Das bedeutet, sich mit dem Leidensweg Jesu zu beschäftigen. Deshalb gibt es in der Fastenzeit die Passions-Andachten. Dazu gibt es seit vielen Jahren die Aktion „7 Wochen ohne“ und seit einiger Zeit auch „7 Wochen mit“ – zum Beispiel „7 Wochen leben mit Hartz IV“. Dieses Jahr haben wir das Motto „7 Wochen mit Produkten aus fairem Handel und der Region“.

Viele Menschen in Wilhelmsburg kennen vor allem die Fastenzeit im Islam. Für den Ramadan gibt es recht klare Traditionen und Regeln. Wie ist das bei den Christen?

Die Fastenzeit war immer eine spirituelle Zeit. Das ist auch im Islam so, das verbindet die Religionen. In der christlichen Fastenzeit geht es aber nicht darum, gar nicht zu essen. Das Fasten bedeutet für Christen vor allem, sich mit seinen seelischen Bedürfnissen und seinem Verhältnis zu Gott zu beschäftigen und die Bibel zu lesen. Im Ramadan wird ja auch viel im Koran gelesen. Die Frage, die im Zentrum steht, ist: Wie können wir gut leben – und was brauchen wir dafür? In der Fastenzeit geht auch darum, einfacher zu leben. Weniger ist mehr.

Die Fastenaktion „7 Wochen mit“ beschäftigt sich mit Essen und Trinken, vor allem mit fair gehandelten und regionalen Lebensmitteln. Wieso?

Ein Gesichtspunkt ist die Frage: Wie übernehmen wir Verantwortung für unsere Umwelt und die Schöpfung? Dabei spielt Konsum eine zentrale Rolle. Fleischlos leben zum Beispiel ist in der Fastenzeit immer ein Thema gewesen. Auch in Gesprächen mit Muslimen habe ich erfahren, dass es vielen, die sich halal ernähren, auch um die Schöpfungsverantwortung geht: Wenn Gott das Tier erschaffen hat, dann kann es nicht gleichgültig sein, wie das Tier groß geworden ist.

Fair gehandelte Produkte sind in der Regel teurer. In Wilhelmsburg leben aber auch viele, bei denen das Geld nur knapp reicht. Ist Fair Trade für sie überhaupt ein Thema?

Manche Produkte aus fairem Handel oder Bio-Landwirtschaft kosten gar nicht mehr als Produkte aus konventioneller Herstellung. Grundsätzlich geht es aber auch hier um Konsum und Verantwortung. Ich bin nicht gegen Konsum, aber ich schätze zum Beispiel den Genuss von Schokolade mehr, wenn ich weiß, dass sie verantwortungsbewusst hergestellt und gehandelt wurde. Die Menschen kaufen oft auch mehr ein, als sie brauchen oder lassen sich von Werbung etwas vormachen. Die Frage ist: Wie kann ich so konsumieren, dass ich Freude daran habe und trotzdem verantwortlich lebe? Die saisonalen Produkte aus der Region sind zum Beispiel immer günstiger als die, die lange Flug- und Transportwege hinter sich haben. Das kann man sich auch mit Arbeitslosengeld II leisten – und man übernimmt zugleich Verantwortung, weil für diese Produkte weniger CO2 ausgestoßen wird.

Wer kann bei den Fastenaktionen mitmachen?

Wir machen ein interkulturelles Pilgern nur für Frauen, alles andere ist offen. Die Aktionen, die meine Kollegin Chang-Mi Dallat und ich veranstalten, sind ökumenisch. Alle können mitmachen, egal welchen Glaubens oder welcher Konfession. Die befreundete indonesische Christengemeinde beteiligt sich, wir organisieren zum Beispiel den Gründonnerstags-Gottesdienst zusammen, auch mit fair gehandelten Produkten. Beim Pilgern sind vielleicht auch syrisch-orthodoxe Christinnen dabei. Ich freue mich sehr darüber. Wir müssen einander begegnen, auch um Vorurteile abzubauen.

Das Interview führte Annabel Trautwein

 

Die Fastenzeit-Aktion auf einen Blick:

  • Gottesdienst „Appetit auf das Leben“
  • Sonntag, 9. März um 10 Uhr in der Kirche St. Raphael (Wehrmannstraße 9)
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  • Besuch im Weltladen Harburg
  • Donnerstag, 13. März, Treffen um 14.35 Uhr am Haupteingang der S-Bahn Wilhelmsburg
  • Anmeldung unter 040-38683745 oder unter 040-7545123
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  • Besuch im Weltladen und Infozentrum „Bramfelder Laterne“
  • Donnerstag, 20. März, Treffen um 14 Uhr am Haupteingang der S-Bahn Wilhelmsburg
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  • Film „Die Essensretter“ mit anschließender Diskussion
  • Donnerstag, 27. März um 18 Uhr im Gemeindehaus St. Raphael (Jungnickelstraße 21)
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  • Vortrag „Bio? Logisch!“
  • Donnerstag, 3. April um 11 Uhr im Alten Pastorat (Kirchdorfer Straße 175)
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  • Interkulturelles Pilgern für Frauen
  • Samstag, 12. April, Treffen um 13.15 Uhr am Haupteingang der S-Bahn Wilhelmsburg
  • Anmeldung unter 040-38683745 oder unter 040-7545123
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  • Feierabendmahl am Gründonnerstag
  • Donnerstag, 17. April um 19 Uhr in der Kirche St. Raphael (Wehrmannstraße 9)
  • Anmeldung unter 040-38683745 oder unter 040-7545123

 

 

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