Es ist höchstens die drittbeste Lösung und die Kosten für die Stadt sind nicht einzuschätzen – trotzdem will der Senat ein Hochregallager für den Fundus und die Werkstätten der Staatsoper am Wilhelmsburger Veringkanal bauen. Dabei gibt es Flächen, die deutlich besser geeignet sind, sagt eine Machbarkeitsstudie, die die Finanzbehörde in Auftrag gegeben hat und die WilhelmsburgOnline.de nun vorliegt. Für die Behörde ändern die Ergebnisse der Studie nichts. Das mindestens 14 Meter hohe Gebäude am Kanal wird kommen, sagt Sprecher Daniel Stricker – auch wenn kleine Unternehmen dem Neubau weichen müssen. Die Gründe für die Entscheidung sind nach wie vor unklar.
Es würde eng werden für die Opernstätten am Veringkanal: Die Fachleute der Firma Baudialog-Ingenieure aus Hannover kommen zu dem Ergebnis, dass das Gelände Am Veringhof nicht ausreicht, um Fundus und Werkstätten komplett unterzubringen. Nur das Lager für die Kulissen könnte bequem Platz finden. Für die Werkstätten wäre der Bedarf an Fläche nur zu 90 Prozent gedeckt, schreiben die Ingenieure. Raum für den Masken- und Kostümfundus sei am Standort Am Veringhof gar nicht vorhanden. Ziel der Stadt ist es jedoch, die verschiedenen Stätten an einem Standort anzusiedeln.
Auch bei den Kosten des Projekts sehen die Fachleute ein hohes Risiko, sollten die Opernstätten nach Wilhelmsburg ziehen. Der Grund: Wenn die Stadt auf dem Gelände der alten Zinnwerke neu bauen will, muss sie höchstwahrscheinlich den Boden sanieren. „Das Kostenrisiko […] am Standort Am Veringhof wird […] erheblich sein; eine Kosteneinschätzung ist ohne Bauuntersuchung gegenwärtig nicht möglich“, schreiben die Gutachter.
Grundstück in Billbrook laut Studie „sehr gut geeignet“
Viel besser geeignet ist dem Gutachten zufolge ein Gelände am Pinkertweg in Billbrook. Die Fläche dort liegt brach, als Baugrund stünde mehr als doppelt so viel Platz zur Verfügung wie am Veringkanal. Altlasten und Kampfmittel gibt es dort laut Gutachten nicht. Die Nachbarn dort wären die Logistikfirma DHL und weitere Gewerbe. „Dieses Grundstück ist von der Größe, von der Lage und vom Bebauungsrecht sehr gut geeignet, alle drei Einrichtungen uneingeschränkt aufzunehmen“, heißt es in dem Gutachten. Hier zu bauen statt am Veringkanal, würde die Stadt deutlich weniger kosten. Auch ein Gelände an der Amandus-Stubbe-Straße in Moorfleet wäre frei. Hier könnten ebenfalls beide Lager sowie die Werkstätten vollständig unterkommen, ohne dass der Boden vor dem Bau saniert oder auf alte Bomben durchsucht werden müsste. Zudem gibt es in der Nähe schon ein großes Logistikzentrum. In Wilhelmsburg dagegen würden zusätzliche Transporter zwischen Park, Supermärkten und Kindertagesstätte hindurch fahren.
Trotzdem will der Senat an den Neubauplänen am Veringkanal festhalten. „Wie gesagt: Wir werden den Opernfundus mit seinen Werkstätten dort ansiedeln“, sagt Daniel Stricker, Sprecher der Finanzbehörde. Dass die Gutachter andere Standorte eher empfehlen, bestreitet er. „Die Grundstücke sind alle gleich gut geeignet, nur gibt es einige Problempunkte, die bei einem Grundstück stärker hervortreten als bei den anderen“, sagt der Sprecher. Das eine Problem sei der verunreinigte Boden – aber das müsse der Eigentümer der Fläche ohnehin früher oder später lösen. Das andere Problem sei, dass die städtische Sprinkenhof AG Schwierigkeiten habe, das Gelände Am Veringhof zu vermarkten. „Es gibt keine Interessenten, die Interesse an einer kommerziellen Nutzung dieses Geländes gehabt hätten“, sagt Stricker. Deshalb solle nun die Staatsoper die Fläche bekommen.
Neue Arbeitsplätze im bestehenden Gebäude
Marco Antonio Reyes Loredo von der Bürogemeinschaft Am Veringhof 7 lässt beide Argumente nicht gelten. „Die Altlasten spielen nur dann eine Rolle, wenn neu gebaut werden soll. Aber wir wollen ja mit den bestehenden Gebäuden arbeiten“, sagt er. Außerdem gebe es sehr wohl Interessenten – „und zwar für alle zur Verfügung stehenden Flächen“, sagt der Filmproduzent. Mehrere Unternehmen hätten sich schon erkundigt, darunter auch Totec, eine Firma für Veranstaltungstechnik, die wegen der geplanten Bebauung der Neuen Mitte Altona einen neuen Standort sucht. Sie könnte dort bis zu 75 neue Arbeitsplätze schaffen, sagt Inhaber Jan Thoms auf Nachfrage von WilhelmsburgOnline.de. Auch andere Firmen würden gern in das Gebäude der alten Zinnwerke einziehen, berichtet Marco Antonio Reyes Loredo. „Sobald die Stadt entscheidet, dass die Gebäude stehen bleiben, gibt es hier Interessenten – auch für langfristige Mietverträge“, sagt er.
Warum beharrt der Senat auf den Plänen, die Opernstätten nach Wilhelmsburg zu holen? Wieso zieht er das Gelände Am Veringhof trotz der vielen Nachteile anderen Standorten vor? Eine konkrete Antwort gibt die Finanzbehörde darauf nicht. Die Entscheidung sei aufgrund von „gesamtstädtisch-gesamtstadtplanerischen Erwägungen“ getroffen worden, sagt der Sprecher. Die Folgen dieser Entscheidung für die Unternehmer in Wilhelmsburg sind für die Behörde nicht erheblich. „Das sind von vornherein provisorische Nutzungen – und jeder, der da drin ist, hat das im Übrigen auch bei Abschluss eines Mietvertrages unterschrieben“, sagt Daniel Stricker. Marco Antonio Reyes Loredo sieht das anders. „In meinem Mietvertrag steht und stand nichts diesbezüglich drin. Es hat mir auch keiner bei Abschluss des Vertrages etwas vergleichbares gesagt“, entgegnet er.
von Annabel Trautwein
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