Staatsakt zur IBA-Eröffnung

Schnipp! Das Band ist zerschnitten, die Internationale Bauaustellung (IBA) ist offiziell eröffnet. Hunderte von Wilhelmsburgerinnen und Wilhelmsburgern verfolgten am Samstag den Festakt vor dem Bürgerhaus und ließen ihre Elbinsel von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und IBA-Geschäftsführer Uli Hellweg feiern. Wenig festlich wirkte dagegen das Polizeiaufgebot in der Mengestraße. Mehrere Hundertschaften waren mit Wasserwerfern und Räumfahrzeug angerückt – extra für die IBA-Gegner, die anlässlich der Eröffnungsfeier auf die Straße gingen.

Kurz vor vier Uhr nachmittags ist noch alles ruhig in der Neuhöfer Straße. Vor dem Bunker parkt ein Lastwagen, zwei Männer bauen Lautsprecher auf der Ladefläche auf. Hier soll die Demo der IBA-Gegner starten. 500 Leute sind angemeldet, zwei davon sind bisher erschienen. Trotz der Sonne ist es klirrend kalt. Die Polizei ist schon da, fünf Wagen parken am Straßenrand. Die Demonstrantinnen werfen noch einen Blick auf den Stadtplan, ein Pressefotograf erkundigt sich nach der Route. „Und, alle warm genug angezogen?“, fragt ein Polizist.

Viertel nach vier im Bürgerhaus: Das Foyer ist brechend voll. Unter IBA-blauen Bannern mit Elbspringer-Logo drängen sich Damen und Herren in Festkleidung, es gibt Sekt und Häppchen. Nach und nach strömt die Menge in den großen Saal, vorbei an Fotografen und Kamerateams der lokalen, regionalen und überregionalen Presse. Das Cafe Royal Salonorchester spielt Balkan-Swing im Hintergrund, IBA-Chef Uli Hellweg begrüßt die Gäste in der ersten Reihe. Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz ist da, auch Politiker aus dem Ausland und prominente Experten. Unter Applaus betritt Uli Hellweg das Podium und beginnt seine Rede.

Gleich nach den hochrangigen geladenen Gästen begrüßt der IBA-Chef die Mitglieder des IBA-Beteiligungsgremiums. „Sie haben die Interessen der Bevölkerung hier auf den Elbinseln und im Harburger Binnenhafen nachhaltig und ausgewogen vertreten“, sagt er. „Dafür möchte ich Ihnen ganz herzlich danken.“ Hellweg dankt Politikern und Behördenvertretern, Investoren, Planern, Journalisten, Lehrern, Künstlern, IBA-Partnern und Sponsoren sowie seinem Team. „Auch einen herzlichen Dank an die hochgradig engagierte Bürgerbewegung, die uns nicht zuletzt aufgrund ihrer professionellen Art, Rechte einzufordern, auch selbst viel abgefordert hat“, sagt der IBA-Chef. Er erwähnt auch, dass die Festgesellschaft später eine Kundgebung mitbekommen wird, die Gegner der IBA am Ende ihrer Demo halten wollen. „Dies ist in einer Demokratie legitim, wenngleich ich sehr bedaure, dass sich die Kritiker bislang jeder Diskussion mit uns verweigert haben“, sagt er.

Demo mit Polizeibegleitung

Kurz darauf biegen die Kritiker um die Ecke Neuhöfer Straße/Veringstraße. Sie sind etwa 600 Menschen, dick eingepackt gegen die Kälte. Einige sind mit ihren Kindern gekommen, manche tragen Transparente oder Schilder mit Aufschriften wie „IBA = Verdrängung“ oder „Gentrification ist zum Kotzen“. Vor ihnen blitzen die Blaulichter der Polizeiwagen, mehrere Hundertschaften der Bereitschaftspolizei begleiten die Demo. „Ich finde es skandalös, wie die Polizei hier ein Bedrohungsszenario an die Wand malt“, sagt Thomas Koyar von der Kampagne „IBA?NigsDA!“, die zu der Demo aufgerufen hat. „Gleichzeitig freue ich mich, dass so viele Leute trotz der eisigen Temperaturen hier für unsere Ziele auf die Straße gehen.“ Auch einige Anwohner zieht es auf die Straße, wenn auch eher zum Zugucken. Einige Jugendliche filmen lachend die vorbeiziehenden Polizeiwagen.

Auch vor dem Bürgerhaus ist die Polizei nun nicht mehr zu übersehen: Vier Wasserwerfer und ein Räumfahrzeug rollen die Mengestraße entlang und stellen sich an der Kreuzung gegenüber der Neuenfelder Straße auf. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, murmelt eine ältere Wilhelmsburgerin. Eine Frau erkundigt sich bei der Polizei: „Ist das für Olaf Scholz? Man kriegt ja echt ein bisschen Angst.“ Bis zur Tankstelle, dicht an dicht, säumen die Polizeiwagen die Straße. Dass die Panzerfahrzeuge wirklich zum Einsatz kommen, glaube er nicht, sagt ein Bereitschaftspolizist. Er deutet auf die Neuenfelder Straße. „Da gibt es gleich einen Umzug mit vermeintlichem Störungspotenzial“, sagt er. Er gehe aber nicht davon aus, dass es ernst werde. „Im Grundsatz sind die Menschen friedlich“, sagt er.

IBA-Chef: "Wilhelmsburg hat die Wende geschafft"

Hunderte Menschen haben sich inzwischen auf den Ulla-Falke-Terrassen vor dem Bürgerhaus-See versammelt. Glühweinduft zieht durch die Menge. Auf der Seebühne tritt die Gruppe Gospeltrain auf. Eine Sängerin aus Harburg sagt anschließend ins Mikrofon der Moderatorin, dass es nun „in dem neuen Stadtteil“ für sie auch möglich wäre, in Wilhelmsburg zu wohnen, wenn sie nach dem Abi in Hamburg studieren möchte. Dann gehört die Bühne wieder Uli Hellweg und Olaf Scholz. Der IBA-Chef dankt den Wilhelmsburgern für ihre Geduld während der Bauarbeiten und heißt sie auf der Feier willkommen. Für die Kritiker des Aufwertungsprozesses auf der Elbinsel habe er kein Verständnis. „Ich glaube, Wilhelmsburg hat die Wende geschafft“, sagt er. Auch der Bürgermeister richtet anerkennende Worte an die Menschen in Wilhelmsburg. Der eigentliche Eröffnungsakt aber entgeht ihm: Das blau-weiße Band über dem See wird von einer eigens dafür einfahrenden Barkasse aus zerschnitten, von zwei Schülerinnen aus der Nachbarschaft.

„IBA, hau ab!“, brüllt plötzlich jemand aus der Menge. Ein paar IBA-Gegner haben es wohl doch aufs Festgelände geschafft – trotz der vorher verhängten Protestsperre. Ein Grüppchen steht mit zugeklebten Mündern hinter einem Transparent ohne Aufschrift. Es gehe um das Demonstrationsverbot, nuschelt einer, mehr wolle er nicht sagen. Ein IBA-Kritiker legt vor laufender Kamera seine Argumente dar. Von den Umstehenden erntet er dafür vor allem Spott: „Oh, seine Nachbarn mussten wegziehen…“ Rund 500 Meter weiter, vor der Straße Am Inselpark, werden die Demonstranten zumindest äußerlich ernst genommen: Umstellt von Bereitschaftspolizisten in weißen Helmen halten sie ihre Abschlusskundgebung. Sie warten auf den Bürgermeister, der mit dem IBA-Chef zusammen an ihnen vorbeiziehen soll. Als klar wird, dass die bereits auf anderem Wege auf die IBA-Baustelle gelangt sind, ist die Luft raus. Die Wortbeiträge werden seltener, ein Polizist klagt über kalte Füße. Am Ende feiern alle auf ihre Art: Die Aktivisten auf der Straße zu Technomusik, die IBA-Gäste zu der großen Inszenierung in der neuen Wilhelmsburger Mitte.

von Annabel Trautwein

 

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